Das K will nicht mehr. Schief hängt dieser letzte Buchstabe im Schriftzug «The Old Oak» draussen über dem Pub-Eingang. Da hilft es wenig, dass der Kneipenwirt TJ Ballantyne (Dave Turner) die instabile Letter mit einem Stab zu richten versucht. Das K bleibt störrisch schief.
Es ist ein Bild, das gut zu Ken Loach passt, diesem Urgestein des typisch britischen Arbeiterklasse-Kinos. In seinem knapp 60 Jahre umfassenden Werk ist die Welt selten gerade, seine Underdogs bleiben widerborstig und kantig, und es bedarf jeweils beträchtlicher Anstrengungen, um gegen die Schiefheiten eines rigiden Klassensystems anzukämpfen.
So ist das auch in «The Old Oak», dem angeblich letzten Film des 87-jährigen Regisseurs, wobei schon «I, Daniel Blake» (2016) und «Sorry We Missed You» (2019) Loachs Abschiedswerke hätten sein sollen. Aber diesmal könnte er es ernst meinen. Dabei ist «The Old Oak», geschrieben von seinem Stammdrehbuchautor Paul Laverty, von einer bemerkenswerten, aktuellen Dringlichkeit.
Sündenböcke für die eigene Misere
In einem ehemaligen Grubendorf im Nordosten Englands herrscht im Jahr 2016 Kehrausstimmung. Letzter Rückzugs- und Gemeinschaftsort für die Leute ist das örtliche Pub, dessen Wirt TJ sich – wie so viele im Dorf – nur knapp über Wasser halten kann. Als syrische Flüchtlinge in den leer stehenden Häusern einquartiert werden, ist es mit der Geduld der Bewohner vorbei. Viele sehen in den Flüchtlingen eine Konkurrenz, sie werden zu Sündenböcken für die eigene Misere.
Als einer der wenigen schlägt sich TJ auf die Seite der jungen Syrerin Yara (Ebla Mari). Dieser wurde bei der Ankunft als Erstes der Fotoapparat beschädigt. Der Wirt versucht zu helfen, gerät dadurch aber ins Visier seiner übellaunigen Stammkundschaft. Schlimmer noch: Eine Rückbesinnung auf gemeinschaftliche Werte, eine Wiederbelebung der einstigen Arbeitersolidarität scheint in weite Ferne zu rücken. Bis zu dem Moment jedenfalls, als TJ beschliesst, den seit Jahren ungenutzten Festsaal im hinteren Teil wieder in Betrieb zu nehmen, um eine Gemeinschaftsküche einzurichten – getreu dem alten Minenstreik-Motto: «Zusammen essen, zusammenstehen.»
Mag sein, dass diese Sozialutopie nicht allzu subtil umgesetzt wirkt. Tatsächlich ist «The Old Oak» oft mehr knorrige Eiche als knospendes Grün.
Ein würdiges Vermächtnis
Aber Regisseur Ken Loach kennt sein Handwerk, und vor allem kennt er die Menschen, die er porträtiert. Sollte «The Old Oak» wirklich sein Vermächtnis sein, so hat er einen Abschluss gefunden, der seines Gesamtwerks würdig ist. Es geht dabei nicht nur um Appelle zur Solidarität, sondern auch um Fragen einer gerechten Verteilung – etwa, wenn ortsansässige Jugendliche sehen, wie ein syrisches Mädchen ein Gebrauchtvelo gespendet bekommt, sie selber aber leer ausgehen.
The Old Oak
Regie: Ken Loach
GB/F/B 2023, 113 Minuten Ab Do, 23.11., im Kino