Keine ländliche Idylle
Im kanadischen Psychothriller «Tom à la ferme» gestaltet das Ausnahmetalent Xavier Dolan eine irritierend gespenstische Atmosphäre.
Inhalt
Kulturtipp 16/2014
Letzte Aktualisierung:
23.07.2014
Urs Hangartner
Ewig lange gerade Strassen, weite Felder. Ein junger Mann (Xavier Dolan) fährt übers Land in Kanada. Sein Ziel: Die heimatliche Farm seines jüngst verstorbenen Geliebten Guillaume. An der Beerdigung will er ihm die letzte Ehre erweisen und eine Abschiedsrede halten. Zu dieser wird es nicht kommen. Denn: Die Mutter weiss nichts vom wahren Leben ihres verstorbenen Kindes, der ältere Bruder Francis (Pierre-Yves Cardinal) hat es geflissentlich verschwiegen. Dieses lä...
Ewig lange gerade Strassen, weite Felder. Ein junger Mann (Xavier Dolan) fährt übers Land in Kanada. Sein Ziel: Die heimatliche Farm seines jüngst verstorbenen Geliebten Guillaume. An der Beerdigung will er ihm die letzte Ehre erweisen und eine Abschiedsrede halten. Zu dieser wird es nicht kommen. Denn: Die Mutter weiss nichts vom wahren Leben ihres verstorbenen Kindes, der ältere Bruder Francis (Pierre-Yves Cardinal) hat es geflissentlich verschwiegen. Dieses ländliche Leben in der frankokanadischen Provinz ist alles andere als beschaulich-idyllisch. Im Gegenteil.
So wird Tom zum Lügen gezwungen. Er muss eine Lebensgeschichte samt Freundin des Freundes erfinden. Und Tom wird zum Gefangenen. Das Auto ist verschwunden, das Handy funktioniert nicht mehr, eine gespenstische Atmosphäre breitet sich aus. Aus dieser scheint Tom nicht mehr rauszukommen.
Hitchcock-Verweise
Gefangen ist Tom durch äussere Umstände in der Abgeschiedenheit – auf eine fatale Art aber auch im Mentalen. Er kann nicht mehr weg, weil er bleiben will. Eigenartigerweise – ist es ein Hauch von Masochismus? – nimmt er die Bedrohung durch Francis nicht nur an. Er nimmt die handfeste Gewalt, die von Francis ausgeht, sogar freiwillig auf sich.
Wird es doch noch zu einer Flucht kommen, weg von der offenbar heruntergewirtschafteten Farm, fort vom gewalttätigen Francis mit seiner einschlägigen Vergangenheit? Bis zum Ende gestaltet Regisseur Xavier Dolan mit einigen offensichtlichen Verweisen auf Alfred Hitchcock Beängstigendes und Irritierendes, und lange hält er die Spannung aufrecht.
Dolan spielt die Titelrolle, führt Regie und hat zusammen mit Michel Marc Bouchard auf der Basis von dessen Bühnenstück das Drehbuch verfasst. «Tom à la ferme» ist bereits der vierte Langspielfilm des 25-jährigen Ausnahmetalents Xavier Dolan. In Venedig erhielt er dafür den begehrten Kritikerpreis.
Tom à la ferme
Regie: Xavier Dolan
Ab Do, 31.7., im Kino