«Schon die allerersten Karten waren eine Herausforderung für die menschliche Vorstellungskraft, und genau genommen sind sie das bis heute geblieben.» Der britische Autor Simon Garfield berichtet von den ersten brauchbaren Weltkarten aus dem altägyptischen Alexandria. Er erzählt auch, wie Entdecker auf ihren Karten Spuren hinterlassen haben – mit Zeichnungen von erforschten und unerforschten Gebieten. Nicht selten benannten sie neu entdeckte Städte mit ihren eigenen Namen. Andere versuchten, sich mit erfundenen Gebirgszügen und Inseln zu verewigen. Jeder weisse Fleck auf einer Karte galt als Herausforderung.
Fälscher tauchen auf
Mehr und mehr begannen Fälscher, den seriösen Kartografen das Leben schwer zu machen. Die berühmte «Vinland-Karte» sollte die Entdecker-Geschichte ins Wanken bringen: Einzelne Experten halten sie heute neben archäologischen Funden für einen weiteren Hinweis dafür, dass Nordamerika Jahre vor Kolumbus entdeckt und von Europäern besiedelt war. Ihre Echtheit ist indes nicht bewiesen, auch wenn das Pergament nachweislich aus dem 15. Jahrhundert stammt.
Auch Kartendiebe trieben ihr Unwesen. Edward Forbes Smiley, ein lange geschätzter Kartenhändler, verübte den grössten Kartenraub aller Zeiten: Er entwendete in Bibliotheken insgesamt 97 Exemplare, indem er während Jahren mit einem Tapeziermesser unbemerkt Seiten aus Büchern heraustrennte.
Die junge Londonerin Phyllis Pearsall schuf in den 1930er-Jahren das berühmte Strassenverzeichnis «A–Z». Die damals 24-jährige Malerin und Schriftstellerin legte dabei Wert auf Genauigkeit. «Ohne die Hilfe von Satellitenaufnahmen oder grossflächigen Luftbildern musste Pearsall täglich 18 Stunden arbeiten und legte zu Fuss mehr als 4800 Kilometer zurück, um die 23 000 Strassen Londons zu kartieren.» Es dauerte lange, bis das Werk vollendet war, und entgegen aller Erwartungen zeigten die Verleger kein Interesse daran. Deshalb liess die geschäftstüchtige Frau unzählige Kopien anfertigen. Diese verkaufte sie einer Buchhandelskette. Ihr Strassenverzeichnis wurde ein voller Erfolg – und ist bis heute in aktueller Version weit verbreitet.
Der Einsatz von Satelliten brachte die Kartografie einen entscheidenden Schritt weiter: Das GPS erleichtert das Reisen ebenso wie Google Maps: «Es ist heute problemlos möglich, hunderte von Kilometern zu reisen, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie man dorthin gekommen ist.»
Simon Garfield hat mit «Karten!» ein spannendes Buch verfasst. Die Fülle an eingearbeiteten historischen Fakten sowie die Vielfalt der angesprochenen Themen sind höchst beeindruckend.
Simon Garfield
«Karten! Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab»
480 Seiten
(Theiss 2014).