Karl’s kühne Gassenschau Rückkehr der Generalunternehmer
Mit der neuen Produktion «Fabrikk» schlägt die Zürcher Kulturtruppe ab 23. Juni ein neues Kapitel auf. Diesmal verschieben die kühnen «Karle» eine veritable Schoggifabrik nach China. Ein Probebesuch im Winterthurer Industriequartier.
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Kulturtipp 13/2011
Markus Kick
Sie lassen Inseln und Schiffe sinken («Akua»), Karusselle fliegen und Altenwohntürme einstürzen («Silo 8»), oder sie zeigen die automobile Apokalypse («Stau»). Und nun verschiffen sie in der neuen Produktion «Fabrikk» eine komplette Schokoladenfabrik ins Reich der Mitte (siehe Box rechts). Seit mittlerweile 27 Jahren besticht die freie Schauspieltruppe Karl’s kühne Gassenschau durch haarsträubend kreativ wildes The...
Sie lassen Inseln und Schiffe sinken («Akua»), Karusselle fliegen und Altenwohntürme einstürzen («Silo 8»), oder sie zeigen die automobile Apokalypse («Stau»). Und nun verschiffen sie in der neuen Produktion «Fabrikk» eine komplette Schokoladenfabrik ins Reich der Mitte (siehe Box rechts). Seit mittlerweile 27 Jahren besticht die freie Schauspieltruppe Karl’s kühne Gassenschau durch haarsträubend kreativ wildes Theaterspiel. Markenzeichen sind technisch sehr aufwendige Inszenierungen, die mal turbulent-witzig, dann wieder poetisch verträumt, oft mit halsbrecherischen Stunts daherkommen und stets mit zahlreichen pyrotechnischen Effekten garniert sind.
Das vierköpfige Kernteam der Truppe bilden nach wie vor die Gründer von damals. Es sind dies Geschäftsführer Ernesto Graf, Paul Weilenmann, der die künstlerische Leitung hat, Regie führt und schauspielert, Brigitt Maag – verantwortlich für Konzepte, Regie und ebenfalls aktive Schauspielerin – sowie Markus Heller als technischer Leiter und Verantwortlicher fürs Bühnenbild.
«Wir sind im Grunde genommen verspielte Kinder, die seit jeher ihre Luftschlösser real werden lassen wollen», resümiert Ernesto Graf (62) versonnen auf die Frage, was den anhaltenden Erfolg von Karl’s kühne Gassenschau ausmacht. Und Markus Heller schiebt nach: «Unsere Arbeit muss einfach auch etwas verrückt sein. Das bringt uns weiter und kittet aneinander.»
Auf der Grossbaustelle
Eindrücke vom Besuch auf der Grossbaustelle «Fabrikk» im Oberwinterthurer Industriegebiet: Im Zentrum die viele Meter lange Baugrube, darin die 50 Tonnen schwere Bühne. Daneben haufenweise Rohre, Förderbänder mit schnelllaufenden
Rollen, stahlglänzende Tanks, eine original Schokolade-Conchiermaschine, das überhohe Kakaobohnenquetschwerk. Dahinter die Schwindel erregend hohen Aufbauten, welche die veritable dreigeschossige Schokoladenfabrik darstellen.
Dazwischen wuseln fast schon verschwindend klein die acht Schauspieler in der Riesenkulisse herum. «Ihr müsst aber schon darauf achten, dass euch alle 1400 Zuschauer auch wirklich sehen können», instruiert eben Regisseur Paul Weilenmann die Akteurinnen und Akteure. Sie bilden die Staffage in der Gesangsszene, bei der die (gemobbte) Hubstaplerfahrerin versonnen vor sich hin trällert.
Acht Tage vor der ersten Aufführung. Noch stehen nicht alle Bauten. Noch ist die Choreografie des kommenden Freilicht-Schauspektakels «Fabrikk» nicht perfekt. Noch tüftelt das Musikerquartett unter der Leitung von Neil Filby am atmosphärischen Soundteppich. Kommt da beim Gesamtleiter keine Panikstimmung auf? «Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass an der Premiere die Farbe am Bühnenbild noch klebrig ist», schmunzelt Ernesto Graf. «Aber dann und wann juckts mich schon, weshalb wir es nie schaffen, eine Woche vor Beginn fertig zu werden.» Doch Ernesto Graf ist ein veritabler kühner «Karl»: «Dieses Chrampfen bis zum Schluss und bis zum Umfallen scheint uns jung zu halten – vermutlich brauchen wir diese Spannung mittlerweile einfach, damits bei uns nach wie vor kreativ knistert.»