Es ist dunkel in den Räumen der Kunsthalle. Besucherinnen bewegen sich verloren den Wänden entlang. Sie müssen sich gedulden, bis sie etwas sehen, und was sie sehen, ist ihre individuelle Wahrnehmung. Meerestiere? Sterne? Modernes Design? Die Schau der kroatischen Künstlerin Ivana Franke (bis 7.8.) ist die erste Einzelausstellung unter Leitung von Kabelo Malatsie, die in diesem April ihre Stelle als neue Direktorin der Kunsthalle Bern angetreten hat. 130 Bewerbungen gingen für den Posten ein; die Südafrikanerin Kabelo Malatsie konnte mit ihren Ideen und ihrem Ausstellungsprogramm überzeugen und wurde ausgewählt. Für die kommende Ausstellung «Bird Sound Orientations2» präsentiert sie Arbeiten der 1986 in Nigeria geborenen Künstlerin Rahima Gambo. «Sie beschäftigt sich in ihren Fotografien, Videos und Skulpturen mit Psychogeografie, also unter anderem damit, wie wir uns in der Welt bewegen», sagt Malatsie. Malatsie ist in Limpopo im Norden Südafrikas aufgewachsen und hat in Johannesburg Kunstgeschichte studiert. Als Freischaffende kuratierte sie unter anderem Ausstellungen für die Triennale in Japan. «Meine Eltern trauten anfangs meiner Studienwahl nicht.» Umso stolzer seien sie jetzt über die internationale Karriere. Sie selbst sei nicht mit einer bürgerlichen, westlichen Idee von Kunst aufgewachsen. «Aber ich war umgegeben von der Kunst des Geschichtenerzählens, von Design und Musik.» Sie ist überzeugt: «Niemand lebt ohne Kunst.»
«Ich mag neugierige Menschen»
In die Schweiz kam sie erstmals 2016 im Rahmen eines Forschungsprojektes. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie unabhängige Kunstorte. Das führte sie auch in die Kunsthalle Bern, wo sie im Archiv recherchierte. In Südafrika spreche man über Projekträume oder unabhängige Orte anstelle des hier benutzten Begriffs Offspace. Im Berner Kulturzentrum Progr traf sie auf den Videokünstler Peter Aerschmann, der sie zahlreichen Kuratoren und Künstlerinnen vorstellte. Zurück in Südafrika, machte sie ein Kollege schliesslich auf die Stellenanzeige der Kunsthalle aufmerksam. Nach der Zusage ist sie mit ihrer Familie nach Bern umgezogen. Sehr überrascht hat sie, wie viele Frauen hier nicht Vollzeit arbeiten: «Die Bedingungen für arbeitende Mütter sind gelinde gesagt entmutigend.» Malatsie führt ein sechsköpfiges Team und betont: «Ich mag Menschen, die neugierig sind und Dinge hinterfragen.» Sie habe als Direktorin zwar eine Vision, aber um diese umzusetzen, brauche sie ihr Team. Immer wieder wurde in den Medien betont, dass Malatsie die erste nichteuropäische Direktorin in einer Schweizer Institution ist. Nervt sie dieses Label? «Es ärgert mich nicht, aber es macht mich auch nicht glücklich. Es verweist auf ein systemisches Problem, das eigentlich längst gelöst sein sollte.»
Rahima Gambo – Bird Sound Orientations 2
Sa, 20.8.–So, 25.9., Kunsthalle Bern
www.kunsthalle-bern.ch
Kabelo Malatsies Kulturtipps
Ausstellung
Centre d’Art Contemporain, Genf
«Die Einzelausstellung ‹Amor Superfictional Sanctuaries› von Guerreiro do Divino ist eine fesselnde Installation, welche die Schweizer Identität untersucht.»
Ausstellung
Luma Westbau im Löwenbräu-Kunstareal, Zürich
«In ihrer Videoarbeit ‹Moment 2› packt Deborah-Joyce Holman das Problem Verweigerung und Widerstand an.»
Kulturort
Living Room in Bern
«Ein Gemeinschaftszentrum, das Raum anbietet, um sich zu verbinden, insbesondere für jene, die sich ungesehen fühlen.»
www.living-room.website