Auf die Idee, ihr edles Engelsinstrument in irdische Weisen einzubetten, sind schon manche Harfenistinnen und Harfenisten gekommen. In der Schweiz erinnert man sich an Andreas Vollenweider und seinen sphärischen Ethnopop ab den 1970er-Jahren. Auf ähnlichen Spuren unterwegs ist aktuell die junge kalifornische Singer-Songwriterin Joana Newsome. Auch in diversen Folkloren ist die Harfe anzutreffen. Ganz anders im Jazz: Von Jacky Teagardens Bandkollege Casper Reardon (1907–1941) bis Avantgardistin Zeena Parkins (*1956) galten Jazzharfenisten stets als Exoten.
Verträumte Balladen und sirrende Powergrooves
Erfreulich deshalb, dass aus Genf eine junge Stimme zu vernehmen ist, die sich beharrlich ins internationale Rampenlicht rückt. Und Julie Campiche (34) tut dies mit einer Innovationsfreude, die ihr viele Türen öffnet. Exemplarisch ihr neues Quartett, das sich in mannigfache Spielarten und Mischbereiche des aktuellen Jazzschaffens vorwagt und auf filigran-verträumte Balladen sirrende Powergrooves folgen lässt, verlinkt durch experimentelle Elektronik-Clusters. Campiche umgibt sich für diese neue Konstellation mit teils eingespielten, teils neuen Kollegen: Manu Hagmann am Kontrabass, Clemens Kuratle an den Drums und Leo Fumagalli am Saxofon.
An der Harfe sitzt Julie Campiche seit Kindsbeinen. Die berufliche Schulung begann klassisch am Konservatorium Genf. In Lyon und später Lausanne studierte sie Jazzharfe – als jeweils Erste ihres Fachs. Da es ihr an Vorbildern und Lehrern mangelt, bildet sich die Genferin in Masterclasses von Instrumentalisten weiter, deren Sound sie interessiert: bei den Saxern Charles Lloyd und Steve Coleman, Pianist Marc Copland oder Drummer Jim Black.
Seit rund zehn Jahren ist sie in Bandprojekten vorab der Romandie aktiv. Den Sprung über Sense und Jura schaffte sie mit Orioxy (mit Bassist Manu Hagmann und Sängerin Yael Miller) sowie Jibcae (mit Sängerin Claire Huguenin und Pianist Macolm Braff). Mit Orioxy spielte Campiche drei viel beachtete Alben ein und absolvierte zahlreiche Tourneen, was sie auch international bekannt machte.
Mal einlullend, mal verstörend
Den Ansatz eines bunten, organisch-wuchernden Klangstrauches überträgt Campiche nun auf ihr Quartett. Sie verzichtet auf die menschliche Stimme, setzt dafür mehr Elektronik ein. Nicht nur der Harfenistin, auch dem Bassisten, Drummer und Saxer gelingen dadurch bezaubernde Klänge aus einem elektroakustischen Zwischenreich – mal einlullend, mal verstörend. Das Julie Campiche Quartett ist bereits international unterwegs und legt demnächst zwei Stationen in der Schweiz ein.
Ihre stetige Suche nach bereichernden Erfahrungen führt sie in mediale Mischbereiche. Mit ihrem Vater, dem Theatermacher Philippe Campiche, erarbeitet sie Bühnenprogramme für Erwachsene und Kinder. Speziell sind ihre Vertonungen von Tanz- und Yoga-Performances. Hinhören lohnt sich, hinschauen auch.
Konzerte
Mi, 2.8., 21.00
Casino de Montbenon Lausanne VD
Do, 3.8., 20.15
Rathausplatz Bern
www.juliecampiche.com
CD
Orioxy
Lost Children
(GLM Music 2015).