kulturtipp: Frau Banse, warum reden Sie Schweizerdeutsch?
Juliane Banse:
Ich habe deutsche Eltern und einen deutschen Pass, lebte aber bis zur Matur in der Schweiz. Danach habe ich in Deutschland studiert, wo ich nun wieder wohne. Je nachdem sehen oder eben hören die Leute das eine oder andere. Zählt mich jemand in der Schweiz dazu, ist das schön. Aber ich fühle mich nicht als Schweizerin.
Sie sind also nicht nur Deutsche, sondern naturgemäss auch eine «deutsche Sopranistin». Mögen Sie diese Bezeichnung?
Eigentlich schon, aber wenn man daraus ein Fachdenken kreiert, finde ich diese Einstufung unnötig. Sie taucht immer dann auf, wenn ich mit anderen deutschen Sopranistinnen verglichen werde: jünger, grösser, blonder … Es ist eigentlich egal, ob eine Sängerin Deutsche oder Französin ist. Ich definiere mich nicht über meine Nationalität.
Aber die deutsche Nationalität lenkt doch auf Ihr Repertoire?
Das ist genau der Punkt: Wir werden auf ein bestimmtes Repertoire reduziert und immer wieder für dieselben Rollen angefragt. Niemand kommt auf die Idee, dass wir Deutschen auch Französisches oder Italienisches singen könnten. Die Russinnen und Amerikanerinnen sind dagegen interessanterweise immun – die dürfen alles machen.
Warum diese Ungerechtigkeit?
Sie ist ein Unding, eine Geringschätzung von Interessen und Wandelbarkeit. Es ist sehr mühsam, immer wieder bei Veranstaltern oder Opernintendanten dagegen angehen zu müssen und zu sagen: «Übrigens, ich könnte auch mal etwas anderes.» Schade.
Sie wohnen in Deutschland, haben dort ihre Familie und einen deutschen Ehemann, den Dirigenten Christoph Poppen. Ist das ein Vorteil?
Ja, sehr. Und selbst, wenn man nicht miteinander arbeitet, weiss man, dass der andere mitfühlen kann. Wir machen nicht allzu viel zusammen, aber wenn es mal dazu kommt, ist es sehr schön. Wir möchten das nicht strapazieren. Es gibt Kollegen, die nur noch im Doppelpack erscheinen. Eine Horrorvorstellung. Wir hatten den Vorteil, dass wir schon sehr viel gearbeitet hatten, bevor wir zusammenkamen. Jeder hatte seinen Stand.
Im Zürcher Opernhaus hatten Sie glückliche Begegnungen: Sowohl Heinz Holligers Stück «Schneewittchen» im Jahr 1998 als auch Robert Schumanns «Genoveva» 2008 waren spezielle Produktionen, sozusa-
gen «Banse-Produktionen» – schwierige Werke, schmal der Grat des Gelingens.
Ich machte nicht mit, weil der Grat des Gelingens schmal war. Ich machte mit, weil es besondere Projekte waren, die mich interessierten. Bei «Schneewittchen» wie bei «Genoveva» kam man auf mich zu. Im ersten Fall war es der Komponist Heinz Holliger, im zweiten der Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Da waren eine Idee und der Glaube, dass ich die Richtige für die Produktion sei. Und wenn ich sehe, dass so eine Produktion zu meiner Person passt, ist das wunderbar. Diese Aufführungen hatten mit mir zu tun, ich konnte sie prägen.
Ist das bei «normalen» Opernproduktionen nicht der Fall?
Na ja, es kommt schon vor, dass man in Produktionen hineinspringt, sich dort vor allem anzupassen hat und die Stimm-dienstleisterin ist.
Ist es nicht einfacher als Stimmdienstleisterin mit Mozart singend durch die Welt zu ziehen?
Bis zu einem gewissen Grad ist das schön und praktisch – und im Falle Mozarts überhaupt nicht langweilig. Aber ich will mich weiterentwickeln, neu ausprobieren und neue Ecken finden – stimmlich wie schauspielerisch. Klar könnte ich sagen: «Ich habe zehn Rollen beisammen, das reicht.»
Solche Kolleginnen gibt es?
Durchaus. Ich selbst will hingegen immer neue Komponisten und neues Repertoire kennenlernen. Dazu gehört auch die Neue Musik. Man muss sie singen, muss sie kennen lernen und zur Diskussion stellen. Wer kann das tun, wenn nicht wir Künstler?
Nun singen Sie in Zürich die Eva in Wagners «Die Meistersinger von Nürnberg»: Eine «normale» Produktion oder eine, die Sie prägen können?
Diese Produktion steht unter einem besonderen Stern. Ich werde nach 20 Jahren wieder mit Harry Kupfer zusammenarbeiten. Bei ihm habe ich meine ersten Schritte als Sängerin auf der Bühne der Komischen Oper in Berlin getan. Ich freue mich sehr darauf, auch auf seine Art, ein Stück und eine Figur zu erarbeiten. Insofern werde ich die Produktion schon mitprägen. Denn Kupfer bringt die «Privatperson» mit der Rolle auf eine besondere Art zusammen: Ich habe das nur bei wenigen Regisseuren gefunden. Meine Anfänge bei ihm haben mich geprägt. Deshalb empfinde ich es als grosses Glück, wieder mit ihm zu arbeiten.
Juliane Banse
Die 1969 im süddeutschen Tettnang geborene Sopranistin Juliane Banse ist in Zürich aufgewachsen. Sie begann mit fünf Jahren Violine zu spielen und nahm Ballettunterricht am Opernhaus. Mit 15 erhielt sie Gesangsunterricht, fünf Jahre später debütierte sie an der Komischen Oper Berlin als Pamina in der «Zauberflöte». In Zürich war sie u.a. 1998 in der Titelrolle von Heinz Holligers Uraufführung von «Schneewittchen» zu sehen. Banse tritt an den bedeutendsten Häusern der Welt auf. Sie ist verheiratet mit Christoph Poppen, hat drei Kinder und lebt in Bayern.
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CD: Heinz Holliger Schneewittchen (ECM 2009).
CD: György Kurtág Kafka-Fragmente (ECM 2005).
DVD: C.M. v. Weber Der Freischütz (Constantin Films 2011).
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