Wenn die Schweden mit einem originellen Abba-Mix begeistern oder die Basler mit Züri-West-Songs, wenn die Spanier mehr als Flamenco mitbringen oder die Slowenen ein vokales Musiktheater aufführen, in dem sie eine Touristengruppe in einen Wald voller Affen entführen – dann findet das Europäische Jugendchorfestival in Basel statt. Mit teils sängerischer Brillanz, vor allem aber mit ihrer begeisternden Ausstrahlung besetzen die Chöre jeweils Kirchen und Konzertsäle, Strassen und Plätze in der Innenstadt.
Die Begegnung untereinander ist wichtig
Aber in diesem Jahr ist vieles anders: keine langen Schlangen vor den Konzertlokalen, keine vollen Kirchen. Ja es ist sogar noch ein bisschen schlimmer, als man denkt, wenn man die neuen Besucher-Regeln im Hinterkopf hat: Seit dem 19. April dürfen zwar Veranstaltungen mit 50 Personen drinnen und 100 draussen stattfinden. Doch ausgerechnet für Chöre – egal ob Profis, Amateure oder Jugendliche – gilt diese Regel nicht, wie Kathrin Renggli, Leiterin des Jugendchorfestivals, betont: «Chören sind Auftritte nach wie vor verboten. Wir dürfen zwar 50 Leute in einen Saal einladen, aber dort nur Streams zeigen. Wir können Ausstellungen und Workshops anbieten und Einblicke hinter die Kulissen zulassen, aber direkte Auftritte vor Publikum sind nach jetzigem Stand nicht erlaubt.»
Ein paar Ideen hat die Festivalleitung dennoch, wie sie Begegnungen der jungen Chorsänger mit dem Publikum ermöglichen könnte. Im Zentrum aber steht in diesem Jahr klar das Zusammentreffen der jugendlichen Chorsänger untereinander. Denn diese sind sich jetzt seit über einem Jahr nicht mehr direkt begegnet, wie Oliver Rudin, der Leiter der Knabenkantorei Basel, betont: «Es ist für die Jungs sehr wichtig, dass sie wieder live und nicht nur über den Computer zusammen singen können. Wir haben die digitalen Möglichkeiten natürlich genutzt, aber als wir im März wieder live miteinander singen durften, war das für alle ein Hühnerhaut-Effekt, weil man das so lange nicht mehr erlebt hat.»
Singend den Rhein hinunterfahren
Das gemeinsame Singen steht auch für Dorothee Wagner, die im Jugendchor Vivo der Basler Musikschule singt, im Zentrum: «Der Auftritt ist gar nicht so wichtig. Natürlich wollen wir uns von der besten Seite zeigen, gerade im Vergleich mit diesen sehr guten Chören aus Europa. Und natürlich sind wir ein wenig nervös, aber es hatte für mich nie den Charakter eines Wettbewerbs», sagt die 25-Jährige. Denn nebst den Auftritten haben die Teilnehmerinnen in den letzten Jahren stets auch spontan zusammen gesungen und gefeiert. «Viele der Schweizer Chöre haben ein ähnliches Repertoire, und auch die internationalen Chöre kennen viele klassische Stücke oder moderne wie ‹Circle of Life› oder die ‹Lion King›-Songs, sagt Wagner und erinnert sich an das Chorschiff, auf dem sie zusammen den Rhein hinauf- und hinuntergetuckert sind – eineinhalb Stunden ununterbrochen singend.
Die Idee vom Chorschiff hat Kathrin Renggli weitergedacht: «Vielleicht werden die Chöre in diesem Jahr, in Weidlingen singend, den Rhein hinunterfahren, und das Publikum kann am Ufer sitzen und zuhören.» Die meisten ausländischen Chöre allerdings werden nicht nach Basel reisen können. Die Polen und Spanier haben aber trotz den Umständen zugesagt.
Ihre Chorleiter werden in Workshops mit den einheimischen Ensembles arbeiten. Auch sonst lässt sich die Festivalleitung einiges für die jungen Sängerinnen und Sänger einfallen. Zum Beispiel ist der Vize-Weltmeister im Beatboxen eingeladen und wird in Workshops herausfinden, was man ohne Mikrofone in dieser speziellen Ausdrucksform zusammen hinkriegen kann. «Die Begegnung zwischen den Chören wollen wir auch unter diesen Umständen so gut wie möglich fördern», sagt Kathrin Renggli. «Und wir haben ein paar besondere Ideen: So werden wir zum Beispiel die Akustik von Brücken und Kanalisationen austesten.»
«Wir wollen zeigen, was wir können»
Das Basler Jugendchor-Festival ist 2021 also mehr als sonst ein Festival für die jungen Sängerinnen und Sänger selber, was Oliver Rudin sehr wertvoll findet: «Man darf gar nicht daran denken, was alles ausgefallen ist. Wir wären jetzt gerade auf einer Konzertreise in Georgien.» Nun fehlen nicht nur die Auftritte, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl, die Begegnung mit fremden Kulturen, wie er sagt. «Normalerweise singen wir zwei- bis dreimal in der Woche, und man hat die Bühne als Ziel.» Seinen Chor vergleicht er mit einer Sport-Mannschaft: «Auch da ist das Training sehr wichtig, körperlich wie sozial. Das Festival gibt uns nun ein Ziel vor. Egal ob vor 1000 Zuhörern, nur in einem Stream oder vor den Augen und Ohren der anderen Chöre: Wir wollen hinausgehen und zeigen, was wir können.»
Was davon für das Publikum zu sehen sein wird, ist offen. Auf der Festival-Website kann man sich informieren, welche Anlässe für wie viele Zuschauer stattfinden können.
Europäisches Jugendchor-Festival Basel
Mi, 12.5.– Sa,15.5.
www.ejcf.ch