Jovanotti-Konzerte sind eigentliche Feste. Da ist ein Spielfreudiger und Lebenslustiger am Werk, einer von ungemeiner Musikalität, ein Energiebündel und immer auch engagierter Zeitgenosse. Jovanotti, der mittlerweile 44-jährige Römer, verfügt als Künstler aber über den Vorteil, dass er seine Botschaften in süffige Musik verpackt und ganz ohne Pathos rüberbringt. Er ist alles in einem: Rocker, Rapper, Romantiker, Politmensch. Es gehört bei ihm unter einen Hut, wie selbstverständlich – allerbeste Musik zu machen und auf der richtigen Seite politisch korrekt zu agieren. Ein Berlusconi-Freund ist Jovanotti somit selbstverständlich nicht, auch wenn er einst in jungen Jahren auf Sendern des heute politisch Mächtigen seine Sporen als Moderator abverdient hatte.
Voller Lebenslust
Keine Frage, Jovanotti ist gegen Globalisierung und für einen Schuldenerlass gegenüber den Entwicklungsländern, er singt ein Loblied auf die Revolution und die Liebe. Und nie wird es peinlich, sein positives Denken. Es ist nicht der Schlager-Frohsinn, den er verbreitet, sondern Lebensbejahung, gekoppelt an das Bewusstsein, was in der Welt falsch läuft und richtig laufen sollte.
Dezidiert äusserte sich Jovanotti kürzlich über den Zustand Italiens (auf go-italy.ch). Berlusconi stelle zurzeit für Italien die Berliner Mauer dar, sagt er. «Bis sie nicht stürzt, ist Italien gelähmt und nicht in der Lage zu kommunizieren. Auch die Opposition hat sich diesem politischen Klima ohne Werte angepasst, statt sich aufgrund der Fehler der Regierung zu stärken. Italien braucht eine neue Generation, die in die Politik einsteigt, Italien braucht neue Hoffnungen, neuen Enthusiasmus.»
Jovanottis neustes Album, sein bisher zwölftes seit 1988, ist unter besonderen Umständen entstanden: Sein Bruder war gestorben, dazu kam die schwere Erkrankung und der Tod der Mutter während der Zeit der Studioaufnahmen. Aus der Traurigkeit hat Jovanotti kreativ geschöpft, wie er gegenüber go-italy.ch erklärte: «Bei dieser Platte habe ich mich isoliert, um in die Tiefen meiner Gefühle abtauchen zu können. Dabei versuchte ich, den unendlichen Schmerz, den ich während jener Monate verspürte, in etwas Lebendiges zu verwandeln, in eine positive Schwingung.»
Vieles hat Jovanotti allein eingespielt im Studio, aber auch Gäste sind mit dabei wie das malische Duo Amadou & Mariam. Musikalisch ist der Bogen erneut weit gespannt: Von prägnantem Disco-Funk bis zur Ballade ist für stimmige Abwechslung gesorgt. «Ora» (Jetzt) heisst das Album, mit, so Jovanotti, «Tönen und Themen von heute». Bisweilen auch inspiriert von Musik, die seine Tochter hört (namentlich etwa Black Eyed Peas und Lady Gaga). So liegt mit «Ora» heutige Jetzt-Musik vor zur Freude von vielen, voller Hoffnungen und Enthusiasmus.
[CD]
Jovanotti
Ora
(Universal 2011).
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