Tief und ein bisschen heiser klingt seine Stimme aus dem Telefonhörer. Sie könnte von einem 60-jährigen Blues-Urgestein kommen, doch Jesper Munk ist erst 23 Jahre alt. Man könnte glauben, er habe seine einprägsame Stimme jahrelang mit Whiskey geölt.
Der Musiker selber bezeichnet sein Stimmorgan als «geduldigen Mitarbeiter, der Kippen und Bier gut wegsteckt». Geschont wird hier nichts, vielmehr liebt der Mann seine schlechten Gewohnheiten. Das macht ihn sympathisch und anscheinend auch stressresistent: Trotz der intensiven Promotion für seine neue CD und einem vollen Terminkalender mit Festivalauftritten ist Munk gut drauf. Eigentlich klar, denn bei ihm gehts steil bergauf.
Störrischer Autodidakt
Bis vor wenigen Jahren hat sich Munk mit Strassenmusik durchgeschlagen; nun ist er beim Major-Label Warner Music gelandet. Seit 2013 wird Munk in Deutschland als das neue «Blues-Wunderkind» gefeiert. Die Kritiker überschlagen sich mit Lob und verweisen auf alte Blues- und Soul-Legenden. Ihm ist es anscheinend egal, er bekennt sich einzig zu seiner Musik: «Wenn ich keine Stimme mehr hätte, würde ich Gitarre spielen. Hätte ich keine Finger, würde ich singen. Und wenn beides nicht mehr geht, werde ich Songs schreiben und produzieren».
Sein Vater Rainer Germann, selbst Bassist und Produzent, hat ihm die Liebe zur Musik mitgegeben. «Von The Clash bis zu den Beatles wurde ich mit allem beschallt», beschreibt Munk seinen breiten Horizont. In der Schule war Musik für den störrischen Munk zwar noch unwichtig. Notenlesen wollte er partout nicht lernen; bis zur Matura war die Musik eines seiner schlechten Fächer. Doch parallel zur Schule lungerte er in Proberäumen rum und besuchte zahlreiche Konzerte. Er schaute den Gitarristen genau auf die Finger und setzte ihre Techniken zu Hause autodidaktisch auf der Klampfe um.
Schlag auf Schlag
Mit 18 fielen Munk bei einem New-York-Besuch die zahlreichen Strassenmusiker auf. Das gab es daheim in München nicht. Kurzerhand verlegte er seine eigenen Übungsstunden vom eigenen Zimmer auf die Strasse und spielte, bis er am Abend sein Geld für «Feiern, Kippen und Bier» beisammen hatte. So musste er nicht mehr in der Gastronomie arbeiten und verbesserte gleichzeitig sein Gitarrenspiel.
Auf der Strasse in München wurde er von Redaktoren des Bayerischen Rundfunks entdeckt. Darauf ging es Schlag auf Schlag. Hastig erzählt Munk seine Geschichte: «Viel auf der Strasse gespielt, ins Radio eingeladen worden, Abi gemacht, ins Studio gerannt und mein Album aufgenommen, das rausgehauen, und jetzt spiel ich die ganze Zeit.» Entstanden ist so sein erstes Album «For In My Way It Lies». Anders als viele Musiker übersprang Munk danach diverse Treppenstufen im Geschäft und veröffentlichte seine aktuelle zweite Platte.
Der 23-Jährige wirkt im Gespräch ziemlich abgebrüht und erwachsen. Auch seine Musik will so gar nicht zu seinem Alter passen. Diese ist eine Mischung aus Jailhouse-Rock, Mississippi Delta Blues und Motown Soul. Die Musikpresse vergleicht seinen Stil mit Jack White oder den Black Keys. Diese hatten laut Jesper tatsächlich grossen Einfluss auf sein Schaffen. Doch sein Interesse für Blues, Soul, Jazz und Rock ’n’ Roll begann viel früher: Mit 16 verzichtete er auf den damals am Radio gespielten Sound und beschäftigte sich mit Jimi Hendrix, Charley Patton, Muddy Waters und Chuck Berry, was seiner neuen Platte «Claim» (siehe Box unten) anzuhören ist. Ebenfalls nicht zu überhören ist die Zusammenarbeit mit Jon Spencer (The Jon Spencer Blues Explosion).
Experimente im Studio
Munk konnte im Studio von Jon Spencer in New York experimentieren und fand für seine teilweise schrägen Ideen Verständnis: Keiner hatte mit der Wimper gezuckt, als Munk plötzlich mit Metallmüll im Studio stand und damit Percussions aufnehmen wollte. «Eines führte zum anderen, und plötzlich stand die komplette Band mit Jon Spencer in einem Hinterzimmer des Studios und stampfte in zwei Takes den Hintergrundbeat für einen Song», blickt Munk lachend zurück.
Bei allem Einfluss verstorbener Legenden ist die aktuelle Musik dem jungen Interpreten ebenfalls Inspiration: Etwa die US-Singer-Songwriterin Cat Power oder die kanadische Indie-Popperin Feist. Mit deren Produzent Mocky hat Munk in Los Angeles einige Songs seines neuen Albums aufgenommen: «Mocky ist ein abartiger Musiker und Produzent, unfassbar talentiert und ein Fass ohne Boden, was die Kreativität angeht.» Hört man sich die aktuelle Platte des jungen Munk an, hat man den Eindruck, dass viel von diesem Lob auf ihn selber zurückfällt.
Blue Balls Festival
Mitte Juli wird Luzern für neun Tage zum Schauplatz des Blue Balls Festival. Das Stelldichein gestandener Künstler lockt mit klangvollen Namen: Singer-Songwriter wie Asav Avidan, Jamie Cullum, Benjamin Clementine und Damien Rice oder begeisternde Bands wie Lambchop, Angus & Julia Stone, The Dø und Element Of Crime. Speziell lohnt das Konzert der jungen englischen Folk- und Soul-Sängerin Lianne La Havas einen Besuch.
Jesper Munk, JJ Grey and Mofro
Sa, 25.7., 18.00 Pavillon Luzern
Blue Balls Festival
Fr, 17.7.–Sa, 25.7., KKL Luzern – Infos: www.blueballs.ch
Jesper Munks neues Album «Claim»
Darauf angesprochen, wie er seine Musik beschreiben würde, antwortet der Münchner Jesper Munk mit Adjektiven: «persönlich, leise, weich, hart, laut». Seine aktuelle Platte lebt laut dem Singer-Songwriter von Gegensätzen, wie auch er von Gegensätzen lebe. Sämtliche Songs stammen aus der eigenen Feder, nur einer wurde mit dem kalifornischen Produzenten Mocky verfasst.
«Claim» gleicht einer Reise in den Süden der USA, in die Jazz-Clubs von New York und zur alten Garde des Soul und Blues. Motown Soul wird da spielend mit Jailhouse-Rock und Mississippi Delta Blues verknüpft. Daneben sind modernere Einflüsse zu hören, die von Folk über Neo-Soul und bis Rock zu Post-Punk reichen – eine Palette knorriger und schön vorwärtsgroovender Songs. Munks einprägsam tiefe und zuweilen heisere Stimme trägt die Songs und deckt eine Bandbreite von Gefühlen ab, sei dies Wut oder Trauer.
Jesper Munk
«Claim»
(Warner Music International 2015).