Das sind angeblich exakt 1369 Glühbirnen, fabriziert von der fiktiven Gesellschaft Monopolated Light & Power. Sie erhellen das Versteck des schwarzen Erzählers im Kultroman «Invisible Man», geschrieben vom US-amerikanischen Schriftsteller und Musiker Ralph Ellison: «Mein Raum ist von warmem und hellem Licht durchflutet. Ich bezweifle, dass es in ganz New York einen helleren Ort gibt als dieses Loch hier. Auch nicht auf dem Broadway.» Das schreibt Ellison im Prolog zu seinem bahnbrechenden Roman über die Rassendiskriminierung in der Nachkriegszeit. Ein Kultbuch der schwarzen Emanzipation in der Zeit vor Martin Luther King.
Künstler Jeff Wall hat die berühmten Sätze aufgegriffen und in seinem Bild «Invisible Man» umgesetzt, das nun in der neuen Ausstellung im Kunsthaus von Bregenz zu sehen ist: «Tableaux Pictures Photographs 1996– 2013». Seit 1970 schafft Wall grossformatige Bilder, häufig als Diapositive in Leuchtkästen, wie man sie in der kommerziellen Werbung kennt. Das Museum zeigt 40 Werke des Künstlers – von seinen Schwarz-Weiss-Aufnahmen der 1990er-Jahre bis zur Gegenwart. Darunter sind neue, speziell für diese Ausstellung entstandene Arbeiten zu sehen.
Milieustudien
Der 68-jährige Kanadier Jeff Wall stammt aus der westlichen Provinz British Columbia und unterrichtet heute in London als Dozent. Seine Bilder sind meisterhafte Inszenierungen, viele von ihnen sind unter dem Titel «Accidents of Reading» kulturgeschichtlich inspiriert wie eben «Invisible Man». Nicht nur literarisch; so heisst eine andere Fotografie «The Thinker» mit einem Dolch im Rücken nach der gleichnamigen Skulptur des französischen Gestalters Auguste Rodin.
Die Bregenzer Ausstellung will Jeff Walls Arbeitsweise dokumentieren. Er stelle die traditionelle Ästhetik der Fotografie infrage und verdichte seine Bilder «zu komplexen Geschichten». Wall verfolgt einen gesellschaftskritischen Ansatz; er ist ein Bewunderer von John Heartfield, dem deutschen Künstler, der im letzten Jahrhundert mit seinen radikalen Fotomontagen und Collagen die sozialistische Avantgarde prägte.
Walls Inszenierungen erscheinen oftmals als Historienbilder oder Studien sozialer Milieus. Typisch etwa das Bild eines Umzugs in einer Vorstadt von Vancouver unter dem Titel «An Eviction». Die bürgerliche Wohlstandsidylle trügt, es handelt sich um die Zwangsräumung von Bewohnern aus der Vogelperspektive im Jahr 1988. Sozialkritik und politisches Bekenntnis, auch wenn die Vertreibung so nie stattgefunden hat. Ein Beispiel der «Gentrifizierung» würde man heute sagen; wenn eine Familie aus ihrem Viertel wegziehen muss, weil die Wohngegend plötzlich zu teuer ist. Jeff Wall hat diese Geschichte immer wieder neu inszeniert und in neuerer Zeit sogar digital bearbeitet.
Allerdings wehrt er sich dagegen, als politischer Propagandist wahrgenommen zu werden. Denkbar sei ja auch, dass die Bewohner das Haus verlassen mussten, «weil sie zu laut Musik hören und unangenehme Nachbarn sind», sagte er dem «Spiegel». Wall verweist mit ein paar Worten dennoch feinsinnig auf das soziale Drama hin: «Die Zwangsräumung fand an einem Nachmittag statt.» Jeff Wall vermischt Fiktion und Realität.
Neu-Inszenierungen
Das ist exakt das Geheimnis des Jeff Wall: Der Künstler erlebt etwas, das ihn beschäftigt. Zur Verarbeitung inszeniert er die Begebenheit neu – und zwar so oft, bis sie seinen gedanklichen Vorstellungen entspricht. Zum Beispiel als er den sozialkritischen Roman «Invisible Man» des Schriftstellers Ralph Ellison gelesen hatte.
Jeff Wall – Tableaux Pictures Photographs 1996–2013
Sa, 18.10.–So, 11.1.
Kunsthaus Bregenz
Hannah Weinberger / Ungewöhnliche Töne in Bregenz
Gleichzeitig zur Ausstellung von Jeff Wall ist die junge Basler Künstlerin Hannah Weinberger mit einer neuen Installation im Kunsthaus Bregenz vertreten. Diese ist weniger zu sehen, als zu hören. Denn Weinberger konstruiert eine interaktive Klanginstallation, die mit Tönen spielt, welche im Museum aufgenommen werden: «Ich richte meine Installationen immer auf die Lokalität aus.» So kennt man Hannah Weinberger von Installationen wie «Concerto Locale» in Mailand (Bildausschnitt unten): Eine Aufnahme von 40 Stunden Soundtrack, erzeugt mit 40 eingeladenen Leuten.
Für Aufsehen sorgte die 26-jährige Künstlerin kürzlich nicht mit einer Installation, sondern mit ihrem Werk «Google». Das ist ein Screenshot des vertrauten Einstiegsbilds der Suchmaschine, das man täglich mehrfach auf dem Bildschirm hat.
Weinberger verkaufte das Werk letztes Jahr dem Basler Justiz- und Polizeidirektor Baschi Dürr, der es
der Presse vorstellte. Kommentar der Basler «Tageswoche»: «Attestieren wir Dürr für einmal Humor. Denn es braucht eine gewisse Selbstironie, um als Justiz- und Polizeidirektor einen Screenshot der Google-Einstiegsseite ins Büro zu hängen.» Bleibt nur die Frage, ob Hannah Weinberger ihr Werk als Witz verstanden haben will.
Hannah Weinberger
Sa, 18.10.–So, 11.1.
KUB Arena Kunsthaus Bregenz