«Aui grinse gschisse u d Sunne brätschet / U d Ching hocke’n im Outo u schrisse’n ä Lätsch», sangen Jeans for Jesus in «Estavayeah» über Camping-Ferien in der «Provence der Schweiz», im freiburgischen Estavayer-le-Lac. Dazu fluffige Beats, quietschende Synthesizer und ein eingängiger Refrain – der Sommerhit 2014 war geboren. Plötzlich waren die vier Berner im Gespräch. Doch Mike, Phippu, Marcel und Demi waren alles andere als bereit für den Erfolg. «Wir rechneten damit, im Berner ‹Rössli› oder im Zürcher ‹Helsinki› vor 100 Nerds zu spielen. Wir hatten uns nicht mal überlegt, wie man das live performen soll», sagt Sänger Mike Egger zum unerwarteten Hype.
Der Zufall wollte es, dass sich die Berner vor rund sechs Jahren in einer New Yorker Bar trafen und beschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Trotz komplett gegensätzlicher Geschmäcker, die von Indie-Pop und Alternative über Klassik und Jazz bis hin zu Trap und Baile Funk reichen. Ihre neue Platte «P R O» ist der hörbare Beweis dafür: Da werden ironisch-dadaistische Mundart-Texte, verschrobene Synthesizer und von Filtern entstellte Instrumente durch die Effekt-Palette gewurstelt, sodass sich der daraus geschaffene Sound keiner Stilrichtung zuordnen lässt.
Drei Dinge verbinden die fröhlich-discoid bis elektronischdurchgeknallten Pop-Songs: der Hang zum Kitsch, die gehaucht-fordernde Falsettstimme von Sänger Egger und zerhackte Beats in ungewohnten Taktarten. Jeans for Jesus haben vom Indie- zum Major-Label gewechselt, ihr Sound geht in die entgegengesetzte Richtung. War ihr Debütalbum mit Songs im 4/4-Takt noch massentauglich, überfordert «P R O» den gemeinen Radiohörer.
Absurde Folgen – ironische Antworten
Eher werden die hippen Freaks und Musiknerds angesprochen, die aktuelle Art- und Psych-Pop-Bands wie Soft Hair feiern. Wenn Labels ihren Sound in skurrilen Begegnungen mit «International ja, aber zu fest Kunst für die Schweiz» kommentieren, kann die Band nur müde lächeln. Bei der klassischen Cloud-Band gibt jeder seinen Senf zu Skizzen dazu; die Songs entstehen quasi in der Dropbox. Ein Hippie-Freund des Sängers hat das Resultat treffend umrissen: «Euer Album klingt wie der neoliberale Albtraum auf 60 Minuten komprimiert.»
Trotz Major-Label-Vertrag und Medien-Hype springt für die Band nur wenig raus. «Hierzulande ist man zwangsweise Milizmusiker. Es scheint den Schweizern sehr wichtig zu sein, dass man ja nie davon leben kann», erklärt Egger die trotz vergangener Erfolge brotlose Kunst.
Ein Grund mehr, das Musik-Business ad absurdum zu führen. Wenn etwa die Labelbetreiber nach Kassenschlagern lechzen, schlägt man mit einem vor Ironie triefenden Song zurück. Bewusst wurde dem Stück «Dr letscht Popsong (Gäubi Taxis)» mit dem Justin-Bieber-Vocoder ein in den USA erfolgserprobtes Element beigefügt. Prompt reagierten hiesige Labels und schlugen vor, «die Kampagne an diesem Refrain aufzuhängen und es den Leuten einzuimpfen». Ein Feedback, das bei Jeans for Jesus vor allem für eins sorgte – reichlich Lacher. Denn Hits sind nicht das Ziel der Band, sie möchte Spass haben und fordern.
Konzerte
Sa, 18.3., 00.45 BScene Festival Sommercasino Basel
Fr, 31.3, 01.15 M4Music Festival Schiffbau Zürich
CD
Jeans for Jesus
«P R O»
(Universal ab 31.3.2017)