kulturtipp: Zu Beginn des letzten Jahres haben Sie fast alle Ihre Konzerte abgesagt, im Juli schrieben Sie auf Facebook, dass es schwierige Monate gewesen seien. Aber nun werden Sie langsam gesund und hoffen, bald wieder Musik mit den Menschen teilen zu können. Wie geht es Ihnen?
Janine Jansen: Es geht viel besser, aber ich hatte einen kleinen Unfall mit dem Finger und muss vorsichtig sein, dass es nicht zu viel wird. Ich versuche nun, den längst geplanten Engagements nachzukommen.
Kein Zufall also, dass Sie – wie in Zürich im Dezember geschehen – öfters mit Ihrem Mann, dem Dirigenten Daniel Blendulf, auftreten?
Ich liebe es, mit ihm Musik zu machen. Aber wir sind manchmal auch sonst gemeinsam unterwegs, auch wenn einer von uns nicht musiziert. Je weniger ich spiele – es sind etwa 80 Auftritte im Jahr –, desto mehr möchte ich alle Konzerte mit Leuten machen, die ich von ganzem Herzen mag, oder mit denen ich musikalisch harmoniere. Es sind ja, ausser in der Kammermusik, nicht immer Freunde. Man muss, auch wenn man sich privat nicht versteht, grossen Respekt voreinander haben. Wenn das Musizieren auf der Bühne, die Musik, nicht wirklich warm und schön ist, möchte ich es nicht mehr machen.
Sie spielen weniger als früher. Aber bei aller Vorsicht oder gar Skepsis: Sie möchten auf die Bühne. Ist das ein Drang?
Nicht so sehr der Gang auf die Bühne ist mir wichtig, aber das Teilen von Musik.
Aber ohne Bühne geht das nicht …
Ja, da haben Sie recht. Ich brauche die Energie des Publikums. Sie wirkt inspirierend auf mich. Um viel zu geben, muss ich noch viel mehr erhalten.
Und wenn man zu viel unterwegs ist, zu viel macht, woran fehlt es dann? Spielt man dann, ohne etwas zu geben?
Nein, das war bei mir nie das Problem. 2010 ging es nicht mehr: Irgendwann waren die Batterien leer, anderes war nicht mehr möglich. Nie aber habe ich einfach gespielt, ohne es eigentlich zu wollen, ohne etwas geben zu können. Die Bühne war nicht das Problem. Je älter ich werde, umso wichtiger wird das Leben zu Hause mit Familie und Freunden. Das ist nötig für die eigene Energie und Ausdauer. Ich brauche ein Leben neben dem Reisen. Für die eigene Energie und Ausdauer, ich brauche die Zeit und die Ruhe.
Sie können auf 20 Jahre in der Klassikwelt zurückschauen. Ist Ihr Blick skeptischer geworden?
Ja, aber es ist der Blick auf die Welt überhaupt. Manchmal kommt mir diese Welt oberflächlich vor, es ist zu einfach, zu locker. Mein Wunsch ist es, mich zu vertiefen. Wer die Vertiefung in der Musik sucht, wird sie finden, aber ich muss bisweilen dafür kämpfen, etwas so zu machen, wie ich es will: Es geht ums Repertoire oder um die Probenzeit, die es braucht, um etwas zu erarbeiten. Und die Bedingungen, die man braucht, um etwas zu erreichen. Das muss man sich trauen.
Sie haben mal gesagt: «Ich finde es generell schwierig, wenn es darum geht, die Schwelle zur Klassik niedriger zu machen. Weil es der klassischen Musik oft ihre Stärke nimmt.» Heisst das: Klassik muss herausfordern?
Ja, sie verlangt Aufmerksamkeit und Beschäftigung. Man organisiert Konzerte, um die Leute mit Petitessen in die Säle zu locken. Das braucht man nicht zu machen. Das würdigt doch bloss das Publikum herunter.
Dann heisst es also: entweder oder? Wenn euch Alban Berg nicht gefällt, dann gibt es halt nichts?
Man kann noch viel zwischen dem Allerweltsprogramm und Alban Berg aufführen! Ich bin unglaublich froh, hier in Zürich Artiste in Residence zu sein, man gibt mir alle Freiheiten: «Was wollen Sie spielen?», hiess es. Und so spielte ich das Konzert von Alban Berg, danach jenes 2010 komponierte von Anders Eliasson, dann folgte Mozart. Und zum Abschluss spiele ich im Juni Brahms – und nun auch einen Kammermusikabend. Das alles ist unglaublich verschieden: Hier kann ich etwas erschaffen, kann zeigen, wer ich bin – auch mit Berg und Eliasson, das ist nicht die einfachste Musik.
… und die Zürcher stehen neuen Werken und Neuer Musik skeptisch gegenüber.
Ich muss das tun, an was ich glaube, ich kann mich nicht verbiegen.
Janine Jansen
Janine Jansen stammt aus einer holländischen Musikerfamilie und wurde 1978 im niederländischen Soest geboren. 1998 schloss sie ihr Studium mit Auszeichnung ab. Jansen spielt seit 2016 auf der Stradivari «Rivaz, Baron Gutmann» von 1707. Sie ist mit dem schwedischen Cellisten und Dirigenten Daniel Blendulf verheiratet. Seit 20 Jahren steht sie auf den grossen Bühnen der Welt, 2003 spielte sie ihre erste CD ein, der acht weitere folgten (alle Decca).
Konzerte
Kammermusik-Soirée
So, 10.3., 17.00 Tonhalle Maag Zürich
Mozart/Bartók am Lucerne Festival
Sa, 13.4., 18.30 KKL Luzern
Saisonende – Herbert Blomstedt dirigiert Brahms
Mi, 26.6.–Fr, 28.6., jew. 19.30 Tonhalle Maag Zürich
CDs mit Janine Jansen
Brahms & Bartok
Violinkonzert in D
Major, op. 77 &
1. Violinkonzert
(Decca 2016)
J.S. Bach
Violinkonzerte
(Decca 2013)
Serge Prokofiew
2. Violinkonzert,
Sonaten
(Decca 2012)