Hund links, Jägerin rechts – das ist eine Aufnahme aus einem Videofilm des schottischen Künstlers Henry Coombes. Für ihn ist die Jagd ein Zwist zwischen Mensch und Tier, in dessen Haut allerdings ein Mensch steckt. Der etwas schräge Hund Laddy gehört der nebenstehenden Lady, die ihn auf die Fasanenjagd mitnimmt. Doch Laddy erweist sich als widerspenstig – sehr zum Ärger seiner Herrin. In diesem Videobild nimmt der Hund eine devote Stellung ein, nachdem er sich der Herrin ergeben hat oder zumindest so tut.
Das Standbild ist dem neuen Bildband «Jäger & Sammler in der zeitgenössischen Kunst» entnommen. Das angenehm gebundene Buch enthält eine Sammlung von Kunstwerken, die sich mit der Jagd beschäftigen. Es ist im Zusammenhang einer Ausstellung von rund 20 Künstlern im Museum Morsbroich bei Leverkusen erschienen, unter anderem mit den Schweizern Guy Oberson und Christian Gonzenbach.
«Jäger & Sammler» beleuchtet die Jagd als eine Kulturtätigkeit, jedoch mit einem kritischen Ansatz. Hier dient die Kunst expliziter Gesellschaftskritik, der Betrachter findet sich weit weg von idealisierenden Bildern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie sie das englische Genre hervorgebracht hat. Allerdings: Kritik an der Jagd braucht heute kaum mehr viel Zivilcourage. Sie gehört zum guten Ton aufgeklärter Geister.
Bis zum Sozialkitsch
Morsbroich zeigt Werke von Künstlern wie dem norddeutschen Maler und Fotografen Erik Schmidt etwa mit dem Video einer Jagdszene – auf einen Menschen. Oder der Westschweizer Guy Oberson präsentiert stilisierte Jagdtrophäen mit vereinzelten Blutflecken, die offenkundige Kritik am Halali zum Ausdruck bringen. Genauso wie Coombes’ Videoproduktion mit dem unfähigen Hund Laddy, der Mitleid mit den abgeschossenen Fasanen zu haben scheint – und dafür büssen muss: «Seine Unfähigkeit zu gehorchen, führt zu gnadenloser Schelte. Hund Laddy wird zum misshandelten Tier», schreibt Coombes auf seiner Website. Der Künstler stilisiert die Geschichte ironisch bis zum Sozialkitsch, indem er Sequenzen aus Laddys angeblich schwerer Hundekindheit einstreut. Aber Sentimentalität hin oder her – die Geschichte ist witzig inszeniert.
Jagdkritik
Jagdkritik ist vor allem Klassengegensatz, wie das bei Mark Dion zum Ausdruck kommt. Der US-Amerikaner nimmt sich der umstrittenen Fuchsjagd an, die als ein Privileg der oberen Mittelschicht oder sogar des Adels gilt. Dion wechselt mit seinen Garderobeständern die Perspektive: Bei ihm ist die Jagdmontur die Trophäe: «Nicht die üblichen ausgestopften Tiere und Trophäen, sondern die Kleidung, Waffen und Attribute der Jäger rücken ins Zentrum – als hätte Dion auf Jäger gemacht und würde nun seine Beute präsentieren», schreibt Kurator Fritz Emslander dazu. Hinter Dions Installationen steckt Recherche: Er sammelte seine «Jäger-Trophäen» auf «Pirschgängen» durch Flohmärkte und im Internet. Der Künstler ging dabei zielgerichtet vor, um mit den Ausrüstungsgegenständen Jagdgeschichte zu dokumentieren – mit Stereotypen wie dem Höhlenjäger, dem Sportjäger oder eben dem Fuchsjäger. Und er richtete eine Jagdhütte ein, die so üppig mit Fleischspezialitäten ausstaffiert ist, dass sich nicht nur dem Vegetarier der Magen umdreht.
«Motor der Evolution»
Der Bildband «Jäger & Sammler» zitiert den australischen Paläontologen Raymond Dart: Der Mensch habe durch die Jagd sein angeborenes Aggressionspotenzial genutzt und sei so zum «Motor der Evolution» geworden. Und der umstrittene spanische Philosoph Ortega y Gasset sieht die Jagd «als Schlüssel zur Menschwerdung». Diese Ansätze werden in dem Band allerdings «als reaktionäre Rechtfertigungsstrategie» verworfen, denn der Jäger erliege einem «Grundwiderspruch im Umgang mit der Natur». Oder mit den Worten des Künstlers Mark Dion: «Durch das Töten bringt der Jäger seine Sensibilität und sein Wissen der Natur zur Ausdruck.» Je besser der Jäger sein Opfer kennt, desto erfolgreicher ist er.
Laddy And The Lady
Link zum Video: www.henrycoombes.co.uk/projects/laddy_and_the_lady/
«Jäger & Sammler in der zeitgenössischen Kunst»
Hg.:Museum
Morsbroich
158 Seiten
(Wienand 2014).