Das gibts nur in den USA: An der «Hell Night» des Fressschuppens «Truth» in Chicago messen sich stämmig-harte Kerle im Runterschlingen von feurigem Chili. Am Schluss obsiegt eine 11-jährige Göre namens Eva, die auch gleich einen schönen Batzen an Wetteinsätzen garniert und damit den Grundstein zu ihrer Karriere legt. Gut zehn Jahre später ist Eva die angesagteste Köchin der USA, deren Pop-up-Dinners 5000 Dollar pro Kopf kosten und auf Jahre ausgebucht sind.

Eva Thorwald könnte aus einem Roman von John Irving stammen. Das Mädchen verlebt eine bewegte Kindheit, fühlt sich etwas abartig und ist daher als Teenager oft einsam. Bis sie ihre besondere Gabe entdeckt: den absoluten Geschmacksinn. Erfunden hat diese Geschichte ein in Europa unbekannter Autor mit dem Zungenbrecher-Namen J. Ryan Stradal, der bislang als TV-Produzent in Los Angeles tätig war und Kurzgeschichten schrieb. 

In coolem Ton

Ein typischer Fall für den findigen Zürcher Diogenes-Verlag, der das Cover seiner neuesten Entdeckung so ungewohnt wie treffend opulent gestaltet. Denn Stradals Debütroman ist eine Sinnenfreude. Evas Entwicklung von einer schüchternen Halbwaisen zur mysteriösen Starköchin erzählt er im coolen Ton kreativer US-Schreiber wie eben Irving oder T.C. Boyle und spickt sie mit allerlei Wissenswertem zu Kulinarik und Winzerei, sogar mit pfannenfertigen Rezepten. Die Kapitel tragen Titel wie «Lutefisk», «Zander» oder «Wild» und erzählen Episoden aus Eva Thorwalds Leben. Es wimmelt von Figuren, die auf- und wieder abtauchen. Auch Eva selbst wirkt über weite Lesestrecken aus der Ferne.

J. Ryan Stradals Roman ist ein vergnüglicher, sommerlicher Lesespass, der Hunger macht auf mehr.    

Buch
J. Ryan Stradal
«Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens»
430 Seiten
(Diogenes 2016).
Erhältlich ab 24.8.