Mit Adriano Celentanos Song «Azzurro» im Ohr gen Süden fahren: Zu einem gelungenen Auftakt in die Italien-Ferien gehört der passende Soundtrack dazu. Diesen liefert der deutsche Autor, Sänger und TV-Produzent Eric Pfeil nun mit seinem Buch «Azzurro – Mit 100 Songs durch Italien», das sich für Kennerinnen und Einsteiger gleichermassen eignet. Mit einem QR-Code lässt sich die Playlist zum Buch einfach herunterladen – und dann gehts los ins Lese- und Hörvergnügen! Die Lektüre der einzelnen kurzen Kapitel – je eines pro Song – dauert ungefähr so lange wie das Lied.
Der Pop-Experte hat ausgiebig recherchiert und liefert zum Italo-Sound aus den 50ern bis heute witzige Anekdoten und gesellschaftliche Hintergründe. Denn der Autor weiss: «Wer Italien in seiner dröhnenden Komplexität und grellen Widersprüchlichkeit wirklich begreifen will, der oder die handele so wie die Italiener auch und konzentriere sich auf das vermeintlich Unwichtige: die Musik.» Von Ohrwürmern wie Gianna Nanninis «Bello e impossibile» bis zu unbekannteren Entdeckungen: Pfeil präsentiert eine kunterbunte, chronologisch ungeordnete Mischung von Canzoni, Popsongs und Sommerhits, von Spritzig-Leichtem bis Tiefgründigem.
Die Entführung von Cantautore Fabrizio De André 1979 auf Sardinien findet ebenso Eingang in das Buch wie das Konzert von Francesco De Gregori im Palalido in Milano 1976, bei dem erboste Studenten die Bühne stürmten und mit dem Sänger über Eintrittspreise diskutieren wollten. Thema sind auch all die quietschbunten Auftritte am Sanremo-Festival. Pfeil empfiehlt seinen Lesern wärmstens, sich einige dieser glitzernd-schrägen Momente auch auf Youtube zu Gemüte zu führen.
Die Leidenschaft des Autors ist stets spürbar
Eric Pfeil untermalt seine Ausführungen mit anschaulichen Sprachbildern und erzählt in persönlich gehaltenem Ton von den Sängern und ihren Meilensteinen. Und er geht näher auf die musikalische Interpretation und die Texte der einzelnen Songs ein. Besonders interessant sind hier natürlich die Cantautori und Cantautrici mit ihren poetisch-sozialkritischen Texten. So wie Giorgio Gaber, der sich mit «Io non mi sento italiano» (2003) an den italienischen Präsidenten wendet und sich Gedanken zum Land, zu Demokratie und Fanatismus macht. Oder Rino Gaetano, der korrupte Politiker anprangert und mit seinem Song «Ma il cielo è sempre più blu» (1975) «Beschreibungen eines kaputten italienischen Alltags auf einen jubilierenden Refrain knallen lässt», wie Pfeil schreibt. Das Lied war viele Jahrzehnte später im Übrigen auch eine der «inoffiziellen Nationalhymnen», die während des Lockdowns regelmässig zur Erbauung von den italienischen Balkonen geschmettert wurden.
Pfeils glühende Leidenschaft für die «canzoni italiane» ist im Buch stets spürbar. Zur Interpretation von «Il cielo in una stanza» (1960) der Sängerin Mina schreibt er in gewohnt saloppem Tonfall etwa: «Wem hier nicht alle Kronkorken der Begeisterung rausknallen, der ist wohl für die italienische Populärmusik verloren und sollte es lieber mit norwegischem Doom-Metal versuchen.» Und wie singt Toto Cutugno in seinem 80er-Ohrwurm «L’italiano», in dem er mit allen erdenklichen Italo-Klischees spielt, so inbrünstig? «Lasciatemi cantare – sono un italiano!» (Lasst mich singen – ich bin ein Italiener.) Dieses Motto stellt Pfeil seinem klingenden Buch voran, das dazu einlädt, lauthals mitzusingen, und das ganz nebenbei ein Bild von Italien in seiner ganzen Schönheit und Widersprüchlichkeit zeichnet.
Buch
Eric Pfeil
Azzurro – Mit 100 Songs durch Italien
368 Seiten
(Kiepenheuer & Witsch 2022)
Fernsehen - Unter Discokugeln
Ein Dokfilm erzählt, wie das Musik-genre Italo-Disco ab Ende der 1970er die ganze Welt eroberte. Der eigenartige Mix aus Synthesizerklängen und teils fragwürdigen Texten war für die einen der poppig-romantische Soundtrack der Sommerferien in Italien, für die anderen ein hedonistisches Unding. Arte rollt die Geschichte dieses Genres im Dokfilm «Italo-Disco – Der Glitzersound der 80er» auf. Zusammen mit Soziologen, Fans des Genres und Künstlern wie Righeira, Sabrina Salerno und Ryan Paris reist dieser Film zurück in die legendäre Grossdisco «Baia degli angeli» bei Rimini, in die Musikstudios und zu Hits wie «Boys» oder «Dolce Vita». Ein vergnüglicher Dok übers Tanzen und den Wunsch, die Ferien nie enden zu lassen, über Machismo und Disco-Königinnen, über musikalische Liebhaber des Futurismus, die Entwicklung der elektronischen Musik, das Ende von Italo-Disco und seine Wiederentdeckung dank dem Internet.
Auch SWR setzt auf «bell’Italia» und geht in einer Sendung «Kulthits aus Italien» nach.
Italo-Disco – Der Glitzersound der 80er
Regie: Alessandro Melazzini, D 2021, 53 Minuten
Fr, 29.7., 23.15 Arte
Kulthits aus Italien
Sa, 30.7., 22.50 SWR