Zan, Zendegi, Azadi – Frau, Leben, Freiheit! Dieser Protestruf auf Farsi ist nach dem gewaltsamen Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 im ganzen Iran erklungen und ebbt seither nicht ab. Sie alle – Frauen und Männer verschiedener Ethnien und Gesellschaftsschichten – riskieren ihr Leben, um für Selbstbestimmung, Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen. Auf die Strasse zu gehen, das Kopftuch öffentlich abzulegen, zu singen, zu tanzen, zu protestieren:
All das kann für die Iranerinnen und Iraner brutale Verhaftungen, unmenschliche Haftbedingungen, Folter und die Todesstrafe bedeuten. «Das Regime, bestehend aus einer Klerikerkaste um Revolutionsführer Khomeini, wusste von Anfang an: Es kann seine Herrschaft ohne Gewalt nicht halten. Das gilt bis heute», schreibt die iranisch-deutsche Journalistin, Ärztin und Politikwissenschafterin Gilda Sahebi. In ihrem Band «Unser Schwert ist die Liebe» ordnet sie die Geschehnisse auch historisch ein.
Der Buchtitel bezieht sich auf eine Songzeile des Rappers Toomaj Salehi, der mehrmals verhaftet und gefoltert wurde, aber seine regimekritischen Texte noch aus dem Gefängnis heraus verbreiten konnte. Gilda Sahebi versammelt in ihrem Buch auch Texte von Gastautorinnen. Was alle Essays eint: Sie erzählen Geschichten von Menschen im Widerstand – von Journalistinnen, Ärzten, Anwältinnen oder von ganz jungen Demonstranten, die alles für die Freiheit aufs Spiel setzen.
Die Wahrheit gegen aussen vertuscht
Was den politischen Häftlingen hinter den Gefängnismauern widerfährt, zeigt Narges Mohammadis Buch «Frauen! Leben! Freiheit!» mit Stimmen von Frauen aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis. Die Interviews und Porträts von 13 Frauen, die aufgrund ihrer Kritik an der Islamischen Republik Misshandlung und psychische Folter erlitten haben, bilden ab, was gegen aussen vertuscht wird.
Die Menschenrechtsaktivistin und Journalistin Narges Mohammadi hat 2023 den Friedensnobelpreis erhalten, sitzt aber weiterhin im Gefängnis. Laut Nobelpreiskomitee wurde sie 13-mal verhaftet und zu insgesamt 31 Jahren Gefängnis sowie 154 Peitschenhieben verurteilt. Ihr gelang es, heimlich Interviews mit ihren Mitgefangenen zu führen. Die Notizen wurden hinausgeschmuggelt, im Ausland gedruckt und in verschiedene Sprachen übersetzt.
Im Buch geben die Interviewten schonungslos Auskunft über den Ablauf der Verhaftungen und Verhöre, über Hygieneverhältnisse, die medizinische Versorgung und die Sicherheitslage im Gefängnis. Und vor allem darüber, was es mit einem Menschen macht, monatelang in Einzelhaft zu sein, völlig isoliert von der Aussenwelt. Es sind Geschichten, die verstören und aufrütteln. Geschichten, wie sie Tausende iranische Frauen in ihrem gemeinsamen Kampf für Menschenrechte erleben.
«Die Kunst der Revolte ist ein täglicher Kampf»
Einen etwas leichteren Zugang wählt die iranisch-französische Illustratorin und Filmemacherin Marjane Satrapi, die mit ihrem Animationsfilm «Persepolis» für den Oscar nominiert war. Im Buch «Frau – Leben – Freiheit» versammelt sie Comics von 18 Illustratorinnen und Zeichnern aus dem Iran, aus Europa und den USA.
Mit der Graphic Novel will sie einerseits versuchen, «die komplexen Ereignisse und ihre Nuancen für eine nicht iranische Leserschaft zu entschlüsseln und so verständlich wie möglich darzustellen». Das Buch soll aber auch «ein Zeichen für die Iranerinnen und Iraner sein; es soll sie daran erinnern, dass sie nicht allein sind». Alle Illustratorinnen widmen sich einem bestimmten historischen oder aktuellen Thema rund um die iranischen Proteste.
In ihrem Einführungstext gehen Marjane Satrapi und Abbas Milani auf die persische Geschichte ein und zeigen, wie lange die Frauen schon für ihre Rechte kämpfen. Illustratorin Coco und Autor Jean-Pierre Perrin etwa illustrieren, wie sich die Frauen im Iran gegen Sportverbote wehren; sie dürfen weder Sport ausüben, noch an Sportveranstaltungen teilnehmen. So haben sich einige von ihnen als Männer verkleidet, um ihre Mannschaft im Fussballstadion anfeuern zu können – zum Teil mit verheerenden Folgen.
Auf den Alltag gehen auch Deloupy und Farid Vahid ein, die zeigen, welche vordergründig harmlosen Dinge den Frauen im Iran gefährlich werden können: allein leben, sich schminken, ein Kopftuch tragen, unter dem die Haare hervorschauen, Roller fahren, arbeiten, singen, flirten … Ihr Fazit: «Die Kunst der Revolte ist ein täglicher Kampf.» Mana Neyestani und Farid Vahid wiederum illustrieren den Druck der Behörden, die Regimekritische abhören, filmen, fotografieren, verfolgen und bedrohen.
Der Comic-Sammelband ist sowohl für Erwachsene als auch für jüngere Leserinnen und Leser geeignet, die sich mit allen Facetten der iranischen Protestbewegung auseinandersetzen wollen. Alle drei Bücher zeugen vom unglaublichen Mut, den die Iranerinnen und Iraner in ihrer Revolte gegen die Islamische Republik zeigen.
Bücher
Gilda Sahebi
«Unser Schwert ist die Liebe» – Die feministische Revolte im Iran
256 Seiten
(S. Fischer 2023)
Narges Mohammadi
Frauen! Leben! Freiheit! – Frauen in iranischen Gefängnissen erzählen
320 Seiten
(Rowohlt 2023)
Frau – Leben – Freiheit
Hg. Marjane Satrapi
272 Seiten
(Rowohlt 2023)