kulturtipp: Warum muss man Radiomoderatoren überhaupt leiten?
Sabine Gysin: Sie stehen im Dienst des Senders und seiner Hörer. Wir müssen eine bestimmte, einheitliche Linie etablieren und wollen bei der Moderation auch einen Wiedererkennungswert schaffen. Aber wir möchten den Moderatoren keine Plattform bieten, um sich selbst darzustellen.
Sie setzen sich also neben einen Moderator, weisen ihn an, was er zu sagen hat, und der plappert Ihnen das wie ein Papagei nach.
Nein, sicher nicht, die kommen im Studio allein zurecht. Wir haben ja tolle Persönlichkeiten vor dem Mikrofon. Ich sehe meine Funktion als Coach, da ist das Wort «Leitung» etwas irreführend. Aber man muss immer wieder genau hinhören, ob die Vorgeben umgesetzt werden.
Die müssen Bühnendeutsch sprechen?
Ja, das müssen sie können. Das Hochdeutsch jedes Einzelnen wird geprüft. Sie brauchen alle eine Mikrofonzulassung. Man kann ja nicht einfach Mundart eins zu eins in die Hochsprache übersetzen.
Ist ein Moderator ein versteckter Schauspieler?
Jein. Er ist höchstens insofern ein Schauspieler, als dass er seine Persönlichkeit zurücknehmen muss. Er sollte an einem schlechten Tag die miese Laune so überspielen, dass die Hörer das nicht mitbekommen. Trotzdem muss er authentisch sein.
Sie kommen von Radio Basilisk zu SRF 2 Kultur. Geht das jetzt auch hektischer und schneller zu und her, vielleicht noch mit einem kurzen Werbespot dazwischen?
Nein, das sind zwei grundverschiedene Sender mit einem unterschiedlichen Publikum. Dem muss ich Rechnung tragen. Es gibt jetzt nicht plötzlich eine «Sabine Gysin Show». Da passe ich mich dem Sender an.
Nochmals – keine penetrant gute Laune am Morgen?
Gute Laune hat noch nie jemanden gestört, aber penetrant soll sie nicht sein.
Das Publikum von Radio SRF 2 Kultur hat sehr unterschiedliche Erwartungen an die Moderatoren. Den einen kann die Ansage nicht ausführlich genug sein, die andern wollen nur Musik hören.
Wer nur Musik hören will, ist bei Radio Swiss Classic besser bedient. Wer mehr erfahren möchte, der hört SRF 2 Kultur.
Tendieren Sie am Morgen zu ausführlichen Moderationen oder zu knappen?
Ich finde die Morgensendungen unseres Senders sehr gelungen. Wir haben einen schönen Mix von Musik und Wortbeiträgen. Daran muss ich sicher nichts ändern.
Und werden Sie selbst auch moderieren?
Ja, natürlich, ich mache das sehr gerne. Und ich muss ja wissen, wovon ich rede, wenn ich den Moderatoren ein Feedback gebe.
Warum sind die Redaktoren eigentlich nicht selbst am Mikrofon – können die das nicht?
Etliche moderieren ja ihre eigenen Sendungen. So führt etwa der Redaktor der Mittagssendung «Kultur kompakt» selbst durch die eigene Sendung.