Jeden ersten Freitag im Monat erscheint seit vergangenem November «Neuland», ein Magazin mit Hintergrundberichten, Reportagen und Kolumnen zu kulturellen, gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Themen. Das Besondere daran: «Neuland» mit Sitz in Zürich gibts nur im Internet zu lesen. Just in jenem Medium also, das von ununterbrochener Aktualität lebt. Was also sucht ein «schwerfälliges» Monatsmagazin im sekundengetakteten Internet?
Eine Antwort findet sogleich, wer sich in die aktuelle Ausgabe einloggt. Wie gedruckte Magazine hat auch «Neuland» ein schön gestaltetes Cover, ein Titelblatt also, das sich in diesem Fall freilich – bewegt. Bewegte Bilder und Töne – sprich: Animationen, Filme und Musik – machen einen wesentlichen Teil von «Neuland» aus. In jeder Ausgabe gibt es für 30 Tage sogar einen Film in ganzer Länge zu sehen, der es trotz handwerklicher und ästhetischer Meriten nicht in den kommerziellen Kinoverleih schaffen konnte. Aktuell ist dies Martin Nguyens einstündige Dokumentation «Ich muss dir was sagen» über die 4-jährigen Zwillinge Oskar (gehörlos) und Leo (hörend).
Medialer Kontrapunkt
Doch das neue Magazin möchte nicht nur mit technologischen Extras Neuland betreten. Als Herausgeber fungieren mit Judith Stofer, Daniel Hitzig und Anita Hugi drei erfahrene, vor allem aber engagierte Figuren der Schweizer Medienszene, die auch einen medialen Kontrapunkt setzen wollen. «‹Neuland› ist eine Plattform für freie Medienschaffende, die in den angestammten Medien für ihre Arbeiten keine Abnehmer mehr finden», schreiben sie. Und meinen damit Schreibende, die den Endlosraum des Internet mit ausgedehnten Reportagen, informativen Berichten und nicht immer angenehmen Analysen nutzen.
Die kostengünstige Form des Web-Magazins erlaube es, solche Beiträge zu einem Magazin mit fundiertem Hintergrundjournalismus zu bündeln, erklären die Herausgeber. «Neuland» ist werbe- und sponsorenfrei und wird ausschliesslich über freiwillige Abogebühren und Unterstützungsbeiträge finanziert, die vollumfänglich den Autorinnen und Autoren zugutekommen.
Sammelsurium
Und was macht «Neuland» inhaltlich lesenswert? In der aktuellen Ausgabe finden sich Beiträge zu erneuerbaren Energien, seichten TV-Serien im Iran und dem magischen Spielwürfel Rubik Cube, der 30 wird. Der österreichische Autor Martin Leidenfrost berichtet aus dem osteuropäischen «Niemandsland» Transnistrien, US-Fotografin Erika Larsen dokumentiert das bis heute archaische Leben der Sami in Nordeuropa. Hilde Domin stellt sich der Frage: Wozu Lyrik? Kolumnist Veit F. Stauffer erinnert sich an die kürzlich verstorbene Pop-Ikone Captain Beefheart.
Scrollen statt blättern
«Neuland» #3 bietet also ein Sammelsurium an Texten, Bildern, Eindrücken, an Informationen und Meinungen verschiedenster Denk- und Machart. Wie ein gutes Magazin eben, einfach zum Scrollen statt Blättern, zum Lesen und Schauen und Hören – und Weitersurfen auch via in den Text integrierte Links.
Freiwillig zahlende Abonnenten erhalten zudem Zugang zu allen bisherigen Ausgaben und damit einer digitalen Sammelbox aus – so die Herausgeber – Beiträgen von nachhaltiger Qualität. Dies bleibt zu hoffen, ist «Neuland» doch der auch hierzulande weder erste noch einzige Versuch, die althergebrachte Form des Magazinjournalismus ins digitale Zeitalter zu übertragen.