Eine Geigenbogenmesse? Wen interessiert das? Die Tausenden von Streichern – Cellistinnen, Geiger, Bratscher und Bassistinnen, Profis wie Laien – ganz bestimmt. Und schon eine zehnjährige Geigenschülerin weiss, dass ihr Instrument, mit dem Bogen der Lehrerin gespielt, viel besser klingt. Höchste Zeit, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Eine Geige hat zwar eine Seele, ein Geigenbogen dafür einen Frosch – eine Konstruktion, die dem Musiker beim Halten des Bogens hilft. Aber selbst wenn man dem Bogen ein Seelenleben abspricht, auch er sollte fähig sein, Gefühle zu zeigen. «Der Bogen muss die Saiten lieben. Der Geigenbogen ist die Beleuchtung des Klangs: Wenn nun das Licht so unerotisch ist wie auf der Zahnarztliege, kann auch bei der schönsten Geige keine Stimmung – kein wundervoller Ton – aufkommen», antwortet der Schweizer Geiger Sebastian Bohren auf die Frage, was ein guter Bogen können muss. Die Spitzengeigerin Julia Fischer meint allerdings, es sei unnütz, nach technischen Details zu fragen, etwa ob der Bogen gut springe, sich also locker von der Saite lösen könne: Das sei Sache der Geiger. Der Bogen müsse nur etwas haben: «Klang!»
Schon sind wir im Umfeld des Unsagbaren: Denn was heisst das schon, «Klang haben»? Aber ein zwischen 59 bis 62 Gramm schwerer Bogen ist nun mal alles andere als ein Gebrauchsgegenstand.
Bögen so legendär wie Geigen
Gewisse Bögen aus dem 19. Jahrhundert sind genauso gesucht wie die legendären Geigen von Antonio Stradivari. Und da man sie im Unterschied zu einer Geige bei einem Unfall kaum mehr reparieren kann, werden sie immer seltener. Und teurer.
Legendär sind die Bögen von François Xavier Tourte (1748–1835), dessen Präzision bis heute Rätsel aufgibt. War es Intuition, oder stammte sein unheimlicher Genauigkeitssinn aus der Zeit, in welcher der Präzisionsfanatiker als Uhrmacher arbeitete? Dominique Peccatte (1810–1874) verfeinerte Xavier Tourtes Errungenschaften, gründete eine neue Schule.
Suche nach dem Bogen als Lebensaufgabe
Die Bögen dieser Meister kosten heute bis zu 700 000 Franken. Der Cellist Narek Hakhnazaryan verbindet die Reize seines millionenteuren Cellos und seines Bogens von Tourte auf anschauliche Art: «Es ist beim Guarneri-Cello wie mit einem Ferrari: Wenn wir ihm nicht die richtigen Räder, den richtigen Bogen, geben, nützen all die 450 PS nichts.»
Das ist auch seine Schwäche, so kann nicht jeder Bogen zu jeder Geige passen. Da alle Musiker zuerst die Geige wählen, wird die Suche nach dem idealen Bogen eine Lebensaufgabe. Und hat ein Geiger einen Bogen gefunden, fragt er sich regelmässig: Wer behaart mir ihn?
Der Zürcher Bogenbauer Kaspar Pankow redet lieber über den entscheidenden Viertelmillimeter Krümmung, der zu einem runden Klang verhelfen kann, als über das Behaaren. Aber auch er weiss natürlich von der Wichtigkeit der Haare. 20 Franken kosten Pankow die 170 Pferdeschweifhaare, die es für eine Behaarung braucht. Die Haare sind nicht mehr als das Tüpfelchen auf dem i. Alles entscheidend ist, wie der Bogen gebaut wurde. In einem idealen Bogen liegt viel Handwerk – und in jedem der Hauch eines Geheimnisses. Neue Meisterbögen kosten zwischen 3500 und 7000 Franken.
Der 48-jährige Pankow kam via Geigenbauschule in Cremona und Anstellungen in der Geigenbauwerkstatt des Zürcher Musikhauses «Jecklin» in die Werkstatt des renommierten Londoner Geigenhändlers Florian Leonhard, wo Stradivaris gehandelt werden und weltberühmte Geiger ein und aus gehen. Nach den Lehr- und Wanderjahren machte er sich selbständig und hat in Zürich seine Werkstatt aufgebaut.
An der Wand neben seiner Werkbank hängen 15 fertige Bögen, rechts im Raum stapelt sich Holz, in der Mitte hängt Rosshaar – es ist so Rapunzel-schön, dass man daran riechen möchte. In den Schubladen liegen Perlmutt, Silberblech, Schrauben, Ebenholz-Rohlinge, Beinchen, Leder und Kopfplatten – wohlgeordnet wie die Medikamente in einer Apotheke.
Zürcher Ausstellung ist den Bögen gewidmet
Pankow geht mit seinen Bögen an Messen, verkauft sie an Händler und empfängt Kunden in Zürich: Sich einen Namen zu machen, ist nicht einfach. Und so macht er bei der Messe «Werkplatz Geige 2019» – einem «Gipfeltreffen des Instrumentenbaus», wie die NZZ vor zwei Jahren schrieb – mit Freude mit. Die Geigenbauerinnen Julia van der Waerden und Simone Escher haben den Anlass auf die Beine gestellt. Pankow ist nun bei der dritten Ausgabe mit im Boot: Sie steht unter dem Titel «Hochstehender internationaler Bogenbau stellt sich vor» und ist allein den Bögen gewidmet. Falls ein Kunde mit der Absicht kommt, Bögen auszuprobieren, wird dieser das eigene Instrument mitbringen. Das Rahmenprogramm ist reich und populär, umfasst ein Werkstatt-Abendessen mit Tafelmusik, ein Cello-Gitarre-Konzert sowie einen Abend mit der Band Gadjolinos, die von Swing über Walzer bis zum Boléro alles bietet.
Im Sommer 2016 hat Pankow den Concours International Dominique Peccatte des Festival Cordes & Pics gewonnen. Bei diesem Wettbewerb wurden die Bögen nicht nur auf handwerkliches Können hin, sondern auch auf ihre Spiel- und Klangeigenschaften getestet. Doch anstatt darüber stolz zu sein, ist ihm der Preis nicht ganz geheuer. Als Klang-Perfektionist hat er an normalen Wettbewerben schlechte Karten. Zu oft geht es da um Ästhetik. «Ich bin kein Künstler, sondern Handwerker», sagt er halb stolz, halb nüchtern.
Werkplatz Geige 2019 – Internationale Bogenbau
Ausstellung
Do, 16.5.–Sa, 18.5.
Hunziker Areal Zürich
www.werkplatzgeige.ch