Gladiatorenspiele, Tierkämpfe oder Hinrichtungen: Im Amphitheater von Augusta Raurica wird seit 2000 Jahren «Unterhaltung» geboten. Bis heute – allerdings kommen die aktuellen Formen im einzigen erhaltenen Theater der Römersiedlung nicht mehr so makaber daher. Nun blickt das Theater Augusta Raurica gemeinsam mit dem Haus der elektronischen Künste Basel (HeK) in die technologische Zukunft und zeigt die interaktive Licht- und Toninstallation «Voice Theatre» von Rafael Lozano-Hemmer.
Ob für seine überdimensionale Installation zur Millenniumsfeier in Mexiko-Stadt oder die Ausstellung «Preabsence» (2016) in Basel: Der mexikanisch-kanadische Künstler setzt mit Vorliebe neueste Technologien ein. So prägen Trackingsysteme, biometrische Messverfahren oder auf Herzschläge getaktete Glühbirnen seine elektronische Kunst. Für sich alleine funktionieren all diese ausgefallenen Spielereien aber nicht, wie der 50-Jährige dazu sagt: «Ohne Besucher findet meine Kunst nicht statt.»
Das Publikum hinterlässt seine Spuren
Auch in Augst am Südufer des Rheins nahe Basel werden die Besucher Teil der Installation: Über ein Mikrofon in der Mitte des Amphitheaters können sie persönliche Gedanken, Erinnerungen oder Ideen aufzeichnen. Die Aufnahme wird vom Computer digitalisiert, analysiert und erklingt simultan auf 120 über die Cavea verteilten Lautsprechern. Spricht niemand, sind im steinernen Halbrund die letzten 120 Nachrichten aus dem Speicher zu hören. Aus individuellen Schnipseln wächst so ein überraschendes Erinnerungstheater, das abrupt die Richtung wechseln kann und mit den Besuchern steht und fällt.
«Bereits in der römischen Zeit kam man im Theater in Augusta Raurica zusammen und erlebte gemeinsam Kultur. Lozano-Hemmer reaktiviert dies für die heutige Zeit», sagt die Kuratorin und Direktorin des HeK Sabine Himmelsbach. In ihren Augen steht der Künstler für sinnliche Installationen, die viel Interaktion verlangen und zugleich immer ein politisches Anliegen verfolgen. Durchs Nachdenken über verwendete Technologien – oft solche der Überwachung – entstünden bei ihm spannende Ambivalenzen.
Die akustische Komponente der Installation wird durch 460 auf den Rängen angeordnete Lichter ergänzt. Je nach Lautstärke und Soundkurve der Stimmen flackern die Leuchten kaum wahrnehmbar oder pulsieren blendend hell, was dank speziellen LED-Spots auch tagsüber wahrnehmbar ist. «Unabhängig von der gesprochenen Aktion bleiben Relikte aus Besucherinteraktionen in einem poetischen Sinn als Bild präsent», beschreibt Himmelsbach die Erweckung des antiken Theaters.
Ein Katzensprung von der Art Basel
Die Co-Produktion des HeK Basel mit dem Theater Augusta Raurica ist kostenlos und öffentlich zugänglich. Bei Bedarf kann die anwesende Aufsichtsperson zusätzliche Informationen zur Installation vermitteln.
Zu empfehlen sind die öffentlichen Führungen während der Art Basel.
«Voice Theatre»
im Theater Augusta Raurica in Augst BL
So, 10.6., 18.00: Eröffnung mit dem Künstler
Mo, 11.6.–So, 1.7.
So–Do, 10.00–22.00
Fr–Sa, 10.00–23.00
Öffentliche Führungen
Mo, 11.6.–Fr, 15.6., 10.30
So, 17.6., 15.00
Weitere Infos: www.hek.ch
www.theater-augusta-raurica.ch