Ein Regenwurm, der im bernischen Trub unter einer Wiese lebt, darf nicht lärmempfindlich sein. Denn dort in der Braunerde schabt und trommelt, knirscht und knistert es unaufhörlich. Wieso wir das wissen? Dank Marcus Maeder. Der Künstler und Forscher steckte vergangenes Jahr aus reiner Neugierde Sensoren in den Boden, mit denen er sonst aufzeichnet, wie es im Innern der Bäume tönt. «Ich war überrascht, wie vielfältig die Geräusche im Boden sind», sagt Maeder in einem Interview mit der Stiftung Biovision.
Die Bodentiere machen «Lärm»
So entstand «Sounding Soil» («klingende Erde») als interdisziplinäres Forschungs- und Kunstprojekt. Eine Spielerei? Keineswegs! Eine Handvoll For-schungsgebiete bedient sich mittlerweile der Akustik, um Zusammenhänge in der Landschaftsökologie zu ergründen. «Sounding Soil» hat zum Ziel, die Artenvielfalt in den Schweizer Böden akustisch zu messen. So sind nebst der Stiftung Biovision auch die ZHdK, die ETH und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL daran beteiligt. Seit Mai 2017 haben Maeder und seine Mitstreiter schon an knapp 30 Orten in der Schweiz in den Boden gehorcht – unter Alpenwiesen, Waldböden und intensiv genutzte Äcker. Was sie herausgefunden haben: Ein gesunder Boden tönt.
Zu hören sind vor allem Bodentiere, die einen halben Millimeter und grösser sind: Springschwänze, Hundertfüsser, Käfer, Spinnen. Sind sie fleissig und lautstark dabei, den Boden umzupflügen, ist das ein Zeichen für ein gesundes Erdreich. Doch dieses wird in der Schweiz zusehends rar. Bodenverdichtung durch Landwirtschafts- und Forstmaschinen, der Einsatz von Mineraldüngern und chemischen Pflanzenschutzmitteln setzen dem Untergrund zu. Auf diese Problematik soll das Projekt von Maeder aufmerksam machen. Er hat «Sounding Soil» deshalb zu einer Installation gemacht, die derzeit im Toni-Areal auf Ebene 5 der Aussenrampe besucht werden kann.
Wer den weissen Schiffscontainer durch einen Vorhang betritt, begibt sich akustisch unter die Schweizer Erdoberfläche. Im dunklen Innern des Containers finden Besucher einen Touchscreen – weisse Punkte auf einer schwarzen Schweizer Karte zeigen an, wo Maeder Proben nahm. Berührt man einen Punkt, wird die betreffende Aufnahme abgespielt. Von allen Seiten wird man nun beschallt: Eine Wiese im bündnerischen Paspels etwa knackst und rumpelt. Die Geräuschkulisse ist minimalistisch. Und doch kann man sich den lebendigen Boden vorstellen; all die Tiere, die da kreuchen, graben und knabbern.
Mit Leihgeräten zum Helfer werden
Die nächste Hörprobe: Möhlin im Kanton Aargau, ein Zuckerrübenacker. Es rauscht ein wenig, ab und an wummert es. Letzteres ist nur der Wind von oben, wie uns ein Textkästchen auf dem Bildschirm informiert. Hier fuhren schwere Maschinen, im Boden ist es jetzt: still.
Anhören kann man sich «Sounding Soil» auch im Internet. Derweil geht das Projekt 2019 weiter. Interessierte können dann selber mit Leihgeräten Bodengeräusche aufnehmen. Die Karte der Töne soll so wachsen und eine breite Grundlage zur Erforschung der Schweizer Boden-Biodiversität bilden. Was wohl auf den neuen Proben zu hören sein wird? Hoffentlich viel Lärm.
Sounding Soil
Bis Do, 28.2.
Toni-Areal Zürich
www.soundmap.soundingsoil.ch