«INCENDIES» Schicksalswege in einer brennenden Welt
Eine ergreifende Geschichte in den historischen und politischen Wirren des Nahen Ostens erzählt der kanadische Regisseur Denis Villeneuve.
Inhalt
Kulturtipp 08/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Eine genaue geografische Lokalisierung fehlt bewusst im Film. Es könnte der Libanon sein. Aber darüber hinaus allgemein und universell eine Welt, die brennt, mit Menschen, Einzelnen, die zum Spielball der brutal-gewalttätigen Ereignisse werden. Entstanden ist «Incendies» nach dem gleichnamigen Theaterstück des libanesisch-kanadischen Autors Wajdi Mouawad.
Ausgangspunkt der Geschichte ist Kanada. Die zeitlebens schweigsame Mutter Nawal Marwan (Lubna Azabal)...
Eine genaue geografische Lokalisierung fehlt bewusst im Film. Es könnte der Libanon sein. Aber darüber hinaus allgemein und universell eine Welt, die brennt, mit Menschen, Einzelnen, die zum Spielball der brutal-gewalttätigen Ereignisse werden. Entstanden ist «Incendies» nach dem gleichnamigen Theaterstück des libanesisch-kanadischen Autors Wajdi Mouawad.
Ausgangspunkt der Geschichte ist Kanada. Die zeitlebens schweigsame Mutter Nawal Marwan (Lubna Azabal) hat nach ihrem Tod beim Notar zwei Briefe hinterlassen. Den
einen soll die Tochter Jeanne (Mélissa Désormeaux-Poulin) dem unbekannten Vater übergeben, den andern ihr Zwillingsbruder Simon (Maxim Gaudette) einem bisher unbekannten Bruder. Erst wenn diese Auflagen erfüllt sind, darf auf dem Grabstein ihr Name eingraviert werden.
Auf Mutters Spuren
Die Tochter macht sich vorerst allein auf in die fremde Welt im Nahen Osten, auf der Suche nach den Spuren ihrer verstorbenen Mutter. In Rückblenden werden die schicksalhaften Lebens-Kapitel ihrer Mutter aufgeblättert. Einst hatte sie durch eine unschickliche Verbindung (und eine Schwangerschaft) für Familienschande gesorgt. Ihr Sohn wurde ihr weggenommen und ins Waisenhaus gesteckt.
Was unter anderem an den Tag kommt: Nawal war einst für lange Zeit (politische) Gefangene, bekannt als «die Frau, die singt» aus Zelle 72, diejenige, die sich trotz Folter nicht brechen liess. Langsam finden Jeanne und Simon auf ihrer grossen Suche Bruchstücke einer Biografie. Es ist ein leidvoller Weg, den die Menschen gehen müssen: Sie, die Kinder heute wie auch damals ihre Mutter.
Die beiden Geschwister werden am Ende die Wahrheit entdecken. Das Ungeheure spricht Simon einmal als unglaubliche Vermutung mit Blick auf die Identität ihres Vaters und ihres Bruders so aus: «Eins plus eins, kann das eins geben?» Das ist ein hartes und keineswegs leicht verdauliches Stück Kino, das glücklicherweise nie Gefahr läuft, mit seinen grossen Gefühlen der Tragödie zum Melodram zu verkommen.