Das Publikum wünscht eine Szene, die Schauspieler auf der Bühne setzen sie spontan um. Diesen Anspruch erhebt das Improvisationstheater, risikoreiche Bühnenauftritte also – wer kann schon aus dem Stegreif mit seinen Spielpartnern beispielsweise eine Treppenhausszene spielen, ohne je geprobt zu haben? Genau das ist die Herausforderung der Schauspieler, die am 15. Theatersportfestival im Zürcher Kaufleuten mitmachen. Mit dabei sind vier Gruppen aus Kolumbien, den USA, Deutschland und der Schweiz. Sie stellen sich in drei Vorrunden dem Publikum und treten dann zum Finalabend an, um einen Sieger zu küren. Beim Theatersport geht es also nicht um l’art pour l’art, sondern um knallharten Wettbewerb, ein bisschen wie an einzelnen Theaterfestivals, die besonders erfolgreiche Inszenierungen auszeichnen.
Eine Art Heimspiel
«Jeder Abend ist neu, immer anders; das macht für uns den Reiz aus», sagt Bettina Wyer. Die Walliserin ist Mitglied des Eidgenössischen Improvisationstheaters, das im Kaufleuten zu einer Art Heimspiel antritt. Oder in den Worten, mit denen sich die Gruppe selbst vorstellt: «Die Faszination besteht in seiner Vergänglichkeit. Das Improvisationstheater lebt vom Moment, von der Hundertstelsekunde, in der aus allen Möglichkeiten eine gewählt und eine Geschichte zum Leben erweckt wird.» Dabei liefern den Improvisationsschauspielern aussergewöhnliche wie auch lebensnahe Vorschläge des Publikums Inspiration für ihre Geschichten. Ein Aufenthalt im Fegefeuer oder eine alltägliche Begegnung animieren die Schauspieler im Treppenhaus eines Wohnblocks zu witzigen Szenen. Spannend findet Wyer immer wieder, «schichtspezifische Unterschiede umzusetzen, ohne dabei in Klischees zu verfallen».
Neues schaffen
Doch der gemeine Mensch neigt zum Konventionellen. Das stellten die Schauspieler des Improvisationstheaters immer wieder fest. Denn die Wünsche des Publikums nach improvisierten Szenen wiederholen sich oft – man will etwa einen «Metzger beim Schlachten auf der Bühne» oder Szenen an intimen Orten wie auf dem WC sehen. Solchen Begehren wird verständlicherweise weniger entsprochen.
Aber besteht für die Schauspieler nicht die Versuchung, stets die gleichen Figuren zu spielen, nämlich diejenigen, die sie am besten können? Gemäss Wyer liegen einem einzelne Rollen besser als andere, die man besonders gerne spiele. Die eigentliche Kunst des Improvisierens besteht jedoch darin, die Vorkenntnisse und Erfahrungen zu vergessen und aus dem Nichts Neues zu schaffen. Eine bleibende Herausforderung sei es, mit einem jeweils anderen Publikum in Beziehung zu treten, eine Beobachtung, die auch ihr Lebens- und Bühnenpartner Julian Schlack macht: «Die Empathie ist am wichtigsten.» Man sei gezwungen, sich in das Publikum hineinzudenken. Denn «die spüren, dass wir auf sie eingehen wollen».
Funke springt über
Allerdings sei es immer wieder eine Herausforderung, ein reserviertes Publikum zu animieren, erklärt Schlack: «Der Funke springt über, weil die Zuschauer die Geschichten im Kopf miterfinden.» Zufälliges und Unvorhergesehenes würden bedeutsam – «genauso wie im Leben».
Die Schauspieler sind auf das Wohlwollen des Publikums angewiesen. Sie müssen sich zum Schluss seinem Urteil stellen. Wobei man sich fragen kann, ob der Wettbewerb tatsächlich nötig ist. Möglicherweise würden die Schauspieler auf der Bühne lockerer agieren, wenn sie nicht damit rechnen müssten, zum Schluss in die Pfanne gehauen zu werden. Das konventionelle Theater lebt ja vom Klatschen und Buhrufen allein – und das ganz gut.
Aufführungen im Kaufleuten Zürich
Vorrunden Mo, 15.2.–Mi, 17.2., jew. 20.00
Finalabend Do, 18.2., 20.00
15. Internationales Theatersportfestival Zürich
Diese drei Gruppen treten neben dem Eidgenössischen Improvisationstheater gegeneinander an:
La Gata, Kolumbien
Die beiden Kolumbianer Felipe Ortiz und Alberto Urrea bestechen durch einen feinen, clownesken Humor und artistische Körperlichkeit im Spiel.
Rocket Sugar Factory, Kanada/USA
Jim Libby und Jacob Banigan stammen aus Amerika, beziehungsweise Kanada. Sie setzen auf die perfekte Verbindung von Theater und Entertainment. Mit Charme und Draufgängertum wickeln sie das Publikum um den Finger. Eines ihrer Highlights: Shakespeares Dramen, die in der Gegenwart spielen.
Hidden Shakespeare, Deutschland
Die Norddeutschen zeichnen sich durch Scharfsinn und Wandlungsfähigkeit aus. Sie sind authentisch, spielen mit liebevollem Witz, brillieren durch kühne Wahrheitsliebe. Und sie überraschen immer wieder mit ihrem Reaktionsvermögen.
Infos: www.kaufleuten.ch