Es gibt Abende, da sitzt Tizia Zimmermann im Orchestergraben des Zürcher Opernhauses und ergänzt das dortige Hausorchester. Und es gibt Abende, da improvisiert sie mit Saxer Urs Leimgruber im Luzerner Space. Die Zürcher Akkordeonistin spielt mit dem Collegium Novum oder mit Kollege Pablo Lienhard. Und so verwoben wie ihre Lebenslinien klingt auch die Musik der 30-jährigen Akkordeonistin, die sie selbst als «konkrete Konzepte und Klangvorstellungen mit Improvisation» umschreibt.
Erste Klänge auf einem roten Spielzeugakkordeon
Ende 2024 ist ihr letztes Album erschienen mit dem witzigen Titel «Particularly Irrelevant». Im Duo mit US-Schlagzeuger und Elektroniker Jason Nazary lotet sie darauf Klangmöglichkeiten aus, die Erprobtes und im Moment Erfundenes ineinanderschieben. Im Luzerner Mullbau und im Zürcher Moods gastiert sie demnächst im Trio mit Altosaxer Chris Pitsiokos und Drummer Chris Corsano, die sie 2023 während eines Atelieraufenthaltes in New York kennenlernte. Mit ihnen tastet sie sich in Richtung lautstarke Drone- und Noise-Musik vor.
Das Ertasten neuer Musik praktiziert Zimmermann seit ihrer Kindheit. «Ich hatte ein rotes Spielzeugakkordeon, das ich stets mittrug und mit dem ich allen vorspielte», sagt sie. Ihre Mutter habe oft Akkordeon- und Bandoneonmusik gehört. «Astor Piazzolla und Accordion Tribe vertonten meine Kindheit», erinnert sie sich. «So musste ich nie einen Schnuppertag in der Musikschule besuchen, denn mir war klar: Ich werde Akkordeon spielen.»
Und so kam es, dass Zimmermann in der Sekundarschule und am Gymnasium eine Vertiefung im Bereich Musik genoss und an der Hochschule der Künste in Bern ein Klassikstudium auf dem Akkordeon abschloss. Klassik? «Mit meinem Lehrer Teodoro Anzellotti spielte ich oft auch Neue Musik», betont sie.
Unerschöpflich im virtuosen Spiel
Eine Masterclass bei Drummer Lucas Niggli öffnete ihr dann die Welt der freien Improvisation. Nigglis Credo der «Dringlichkeit und Verbindlichkeit des Moments» wurde auch ihres, und dementsprechend zelebriert sie an ihren Konzerten das «Instant Composing». Wobei Zimmermann die ganze Breite ihrer Kunst ausspielt, die sich nicht in Virtuosität erschöpft. Manche Konzertbesucher staunen ob der schieren Klangwucht, die Zimmermann ihrem Instrument zu entlocken vermag. Im Gegenzug schafft sie es, mittels tonlosem Bewegen des Balgs die Luft zum Tanzen zu bringen.
Die Vielfalt und Exklusivität, die Tiefe und Verspieltheit von Tizia Zimmermanns Musik nehmen gefangen. Improvisieren wird sie auch mit dem Churer Drummer Peter Conradin Zumthor im Mai am Schaffhauser Jazzfestival, wenn sie dessen neue «Kammersymphonie» zur Uraufführung bringt. Oder wenn sie kurz darauf beim Collegium Novum gastiert. Mit offenen Ohren lässt sie Erspieltes und Gehörtes wirken. Für nächste Konzerte, neue Projekte.
Konzerte
Sa, 8.2., 20.00 Mullbau Luzern
Mo, 10.2., 20.30 Moods Zürich
Mi, 21.5., 20.15
Jazzfestival Schaffhausen
Album
Tizia Zimmermann und Jason Nazary
Particularly Irrelevant
(Wide Ear Records 2024)