Im ethischen Dilemma
Regisseurin Stina Werenfels hat mit «Dora» einen Theatertext von Lukas Bärfuss fürs Kino adaptiert: Dürfen Behinderte über ihre Sexualität selbst bestimmen?
Inhalt
Kulturtipp 04/2015
Urs Hangartner
Dora: «Bin ich behindert?» Mutter: «Einfach anders.» Dora: «Ich will nicht anders sein.» Dora lebt daheim bei den Eltern, treu umsorgt und medikamentös ruhig gestellt. In einer relativ geschlossenen Welt – bis zu ihrem 18. Geburtstag.
Was tun, wenn die eigene leicht behinderte Tochter Mutter werden will? Diese Frage stellen sich die Eltern Kristin (Jenny Schily) und Felix (Urs Jucker). Denn es ist ihre «Schuld», dass es so w...
Dora: «Bin ich behindert?» Mutter: «Einfach anders.» Dora: «Ich will nicht anders sein.» Dora lebt daheim bei den Eltern, treu umsorgt und medikamentös ruhig gestellt. In einer relativ geschlossenen Welt – bis zu ihrem 18. Geburtstag.
Was tun, wenn die eigene leicht behinderte Tochter Mutter werden will? Diese Frage stellen sich die Eltern Kristin (Jenny Schily) und Felix (Urs Jucker). Denn es ist ihre «Schuld», dass es so weit gekommen ist: Als Dora (Victoria Schulz) 18 wird, lassen sie die beruhigenden Medikamente absetzen. Mit der Folge, dass die Tochter auf eine Art erwacht, wie die Eltern lieber nicht wollten. Dora nämlich lässt sich mit dem schmierig-dubiosen Peter (Lars Eidinger) wiederholt ein – und wird schwanger.
Den Fragen stellen
Da sind die «verständigen», liberalen, gut meinenden Eltern, die gegen ihren Wunsch selber keine Kinder mehr haben können. Da ist Dora, die eine neue Freiheit findet in der Körperlichkeit, die sich befreit und ihre Sexualität auslebt. Doch die Gesellschaft will nicht zulassen, dass hier zwei zusammenkommen, die das eigentlich nicht dürften.
Stina Werenfels («Nachbeben») hat das Bühnenstück «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern» (2003) von Lukas Bärfuss verfilmt. Dabei aktualisierte und variierte die Regisseurin Motive der Vorlage. Das Thema ist «heikel» geblieben. Der Film, wie bereits das Stück, stellt moralische Fragen: Darf oder muss man das behinderte Kind vor einer Schwangerschaft, beziehungsweise dem Mutterwerden, bewahren? Und andererseits: Welche Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung und damit auf persönliche Autonomie hat eine Behinderte? Was meint die Fachstelle, was der Arzt oder der Humangenetiker? Der Film bietet keine Lösungen an, aber denkbare Möglichkeiten: Der Zuschauer kann selber entscheiden. Oder sich wenigstens den wichtigen Fragen stellen, auch wenn die Antworten fehlen.
Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern
Regie: Stina Werenfels
Ab Do, 19.2., im Kino