Sie mochte Katzen und Schnecken, von den Menschen hingegen hielt sie wenig. So unzugänglich und vereinsamt Patricia Highsmith als Mensch war, so genau lotete sie als Autorin die menschlichen Regungen aus.
In ihren vielfach verfilmten Krimis fokussierte sie sich nicht auf den Mörder, sondern auf dessen Beweggründe. Ohne moralische Wertung zeichnete sie ein tiefschwarzes Bild der Menschheit: Ihre Protagonisten wandeln sich oft von Sympathieträgern zu Psychopathen, wie etwa der legendäre Mr. Ripley in ihrer bekanntesten Roman-Reihe.
Verstörendes Werk
Ein weniger bekanntes, aber nicht minder verstörendes Werk ist ihr 1962 erschienener Psychothriller «Der Schrei der Eule», der 1987 von Claude Chabrol verfilmt wurde. Im Mittelpunkt steht der Ingenieur Robert Forester, der sich mehr oder weniger unverschuldet plötzlich in einem Albtraum wiederfindet. Täglich beobachtet er die junge Jenny, die ein harmonisches Leben zu führen scheint. Als sie den Voyeur entdeckt, lädt sie ihn zu sich ein – und verliebt sich später gar in ihn. Nun dringt sie ihrerseits in sein Leben ein und trennt sich von ihrem jähzornigen Verlobten Greg. Robert versucht zwar, auf Abstand zu gehen, doch es kommt zum handfesten Streit mit dem Ex-Verlobten Greg. Wenig später wird dieser als vermisst gemeldet, Robert ist der Hauptverdächtige in dem vermeintlichen Verbrechen. Und das ist nur der Anfang der Abwärtsspirale, in die Robert gerät und die einige Tote nach sich zieht …
Die Doppelbödigkeit
Highsmith nimmt kühl sezierend die labile Psyche ihrer Protagonisten und deren geheime Wünsche auseinander. Und sie führt zu einem Finale, das die Doppelbödigkeit ihrer Figuren offenbart. Gutgesinnte Menschen gibt es im Highsmith-Universum (fast) nicht. Als Leserin taucht man mit Schaudern in diese Welt ein und folgt der Handlung atemlos bis zur letzten Seite.
Zum 20. Todestag der Autorin, die ihre letzten Lebensjahre zurückgezogen im Tessin verbrachte, sind Veranstaltungen und Radio-Lesungen geplant. Zudem erscheint auf Deutsch eine Biografie. Auf über 1000 Seiten breitet die US-Autorin Joan Schenkar Highsmiths Obsessionen aus: Ihre Liebe zu den Schnecken, die sie oft in der Handtasche bei sich trug und bei langweiligen Dinnerpartys hervorholte, ihre unüberschaubaren Affären mit Frauen, ihre Depressionen, die Alkoholsucht oder die ambivalente Beziehung zur Mutter. Und natürlich auch ihre Schreibwut, die sie über alles stellte und vielleicht ein bisschen erlöste von der Abneigung oder Scheu gegenüber der Menschheit.
Veranstaltungen zum 20. Todestag der Autorin
Radio-Lesungen Nach Texten von Patricia Highsmith
«Mrs. Afton kommt zum Arzt»
Di, 10.2., 15.03 Radio SRF 2 Kultur
«Der Schneckenforscher»
Di, 17.2., 15.03 Radio SRF 2 Kultur
«Keiner von uns»
Di, 24.2., 15.03 Radio SRF 2 Kultur
Podcast
«Buchzeichen» auf Radio SRF 1 zum 20. Todestag:
http://www.srf.ch/sendungen/buchzeichen/20-todestag-patricia-highsmith
Patricia-Highsmith-Abend
Kulturjournalist Paul Ingendaay stellt Patricia Highsmiths Leben und Werk vor
Lesung: Phil Hayes (englisch) und Chantal Le Moign (deutsch)
Di, 10.2., 19.00 Literaturhaus Basel
Lesung & Film
Schauspielerin Miriam Japp liest aus «Der talentierte Mr. Ripley». Anschliessende Filmvorführung der Ripley-Verfilmung mit Matt Damon, Jude Law und Gwyneth Paltrow von 1999
Regie: Anthony Minghella
So, 22.2., 12.15 Arthouse Le Paris Zürich
Bücher
Patricia Highsmith
«Der Schrei der Eule»
Deutsche Erstausgabe: 1964
Heute erhältlich im Diogenes Verlag.
Joan Schenkar
«Die talentierte Miss Highsmith»
1072 Seiten
(Diogenes 2015).