«Ich will jemand anders sein, anderswo»
Die Schicksalsgemeinschaft einer Therapiegruppe sucht im Film «Hotell» der schwedischen Regisseurin Lisa Langseth das Heil auf eigene Faust.
Inhalt
Kulturtipp 12/2014
Urs Hangartner
Die junge Erika besucht eine Gruppentherapierunde. Sie ist nach einer schweren Geburt traumatisiert. Erika hat zu früh gebärt und ein behindertes Kind zur Welt gebracht. Die junge Mutter schafft es nicht, ihr Neugeborenes anzunehmen. Die erfolgreiche Innenarchitektin kann sich dem unerwarteten Schicksalsschlag nicht stellen. Sie fällt in eine tiefe Depression, aus der sie auch ihr Freund Oskar mit seiner Liebe nicht herausholen kann.
In der Therapie fallen d...
Die junge Erika besucht eine Gruppentherapierunde. Sie ist nach einer schweren Geburt traumatisiert. Erika hat zu früh gebärt und ein behindertes Kind zur Welt gebracht. Die junge Mutter schafft es nicht, ihr Neugeborenes anzunehmen. Die erfolgreiche Innenarchitektin kann sich dem unerwarteten Schicksalsschlag nicht stellen. Sie fällt in eine tiefe Depression, aus der sie auch ihr Freund Oskar mit seiner Liebe nicht herausholen kann.
In der Therapie fallen die Sätze: «Ich habe von einer Frau gehört, die sich ihre Gefühle aussuchen konnte. Sie nannte dies Hotel. Sie konnte je nachdem umziehen, von einem Gefühl zum andern.» Erika (Alicia Vikander, «A Royal Affair») sagt: «Ich will jemand anders sein, anderswo.»
Gemeinsam auf Reisen
Die fünf Teilnehmer der Therapiegruppe nehmen diese Aussage wörtlich: Sie gehen zusammen auf eine Reise, von Hotel zu Hotel, um sich selbst zu therapieren. Dabei kommt einiges ans Licht. Rikard (David Dencik) entpuppt sich als Folter-Fetischist mit Bondage-Vorliebe. Er rechtfertigt seine Abseitigkeit mit ethnografischem Interesse an der Maya-Kultur. Die einsame Single-Frau Pernilla (Anna Bjelkerud) soll mit einem Wildfremden verkuppelt werden für ein Quickie, so ein kurzfristiger praktischer Therapie-Ansatz. Die extrem scheue Ann-Sofi (Mira Eklund) verbündet sich mit dem schweigsamen Peter (Henrik Norlén). Sie verlieben sich im Laufe der eigenartigen Privattherapie ineinander, werden ein Paar, als auskommt, dass Peter lügt – er hat eine Familie.
Es kommt zu seltsamen Begegnungen samt Vandalismus-Eklat in einem Hotel mit einer unbekannten Hochzeitsgesellschaft. Immer wieder kippt der Film ins Komische, ohne aber die Figuren blosszustellen. Vielmehr sind sie in einer liebenswerten Schrulligkeit gezeichnet.
Am Schluss, geläutert und genesen, setzt sich Erika von ihrer Gruppe ab. Das Ende ist hoffnungsvoll: Man sieht, wie sie ins Spital geht – zu ihrem Kind.
Hotell
Regie: Lisa Langseth
Ab Do, 12.6., im Kino