Der Zürichberg ist nebelverhangen an diesem Herbstmorgen. Schade, denn die Aussicht, die Boris Blank von seinem Studio hat, muss grandios sein. «Komm mal im Sommer vorbei, dann springen wir in den Pool», sagt er und setzt ein spitzbübisches Schmunzeln auf, das ihn sofort sympathisch macht. Ein Spitzbube ist der mittlerweile 62-jährige Pop-Pionier, der seit den 80er-Jahren mit Dieter Meier das weltberühmte Duo Yello bildet, bis heute. Wie Daniel Düsentrieb hantiert er an seinem Studiopult, dieser imposanten Schaltzentrale. Und nach zwei, drei Mouseklicks wummert ein Yello-Groove aus den fetten Boxen. Blank strahlt, wippt in seinem Bürostuhl und sagt dann tatsächlich jenes «Oh Yeah!», das Yello zu Weltruhm verhalf.
kulturtipp: «Oh Yeah!», so heisst eine aktuelle Ausstellung in Bern zur Schweizer Pop-Geschichte.
Boris Blank: Ist das wahr?
Sag nur, du hättest nichts davon gewusst?
Doch, nun erinnere ich mich an eine Anfrage. Aber unser «Oh Yeah!» wird oft verwendet. Sogar in einem US-Football-Stadion. Und in der Werbung.
Verdient ihr daran?
Zuweilen schon. Aber in Zeiten, da wir einen Bruchteil von CDs verkaufen, weil nur noch wenige Leute CDs kaufen, müssen wir uns nach neuen Einnahme-Quellen umschauen.
Startest du deshalb nach 30 Jahren Yello noch eine Solokarriere?
Nein, das hat damit gar nichts zu tun. Ian Tregoning, einstmaliger Yello-Promotor und alter Freund, wollte schon lange mal mein Archiv nach Trouvaillen durchforsten. Das haben wir nun gemacht, und es war sehr lustig. Hör mal.
Wieder dreht sich Boris Blank zu seinen Mischpulten und Monitoren um und zaubert Musik hervor, die vor kurzem noch auf Festplatten oder Tonbändern schlummerte. Einiges habe man aufgepeppt, neu abgemischt. Es gebe aber auch Tunes auf der neuen CD, die er fast telquel habe übernehmen können.
Ich nehme an, in 30 Jahren hat sich einiges angesammelt. Wie hast du die 40 Songs für die CD ausgewählt?
In meinen Sound-Libraries gibt es weit über 100 unveröffentlichte Songs. Ich wollte keine chronologische Auswahl. Also habe ich jene 40 Songs genommen, die sich in musikalisch stimmiger Abfolge zu etwas Neuem montieren liessen.
Du bezeichnest dich nie als Musiker …
Genau, denn ich habe das nicht gelernt. Ich kann nicht mal Noten lesen. Ich habe ein gutes Gehör und lerne leicht, Instrumente zu spielen. Sounds, Stimmungen, Rhythmen sind mir aber wichtiger als Musikalität. Und Geräusche natürlich.
Geräusche?
Ja, mich faszinieren Geräusche und die Sounds, die man daraus erzeugen kann. Wenn ein Garagentor knarrt, dann muss ich das aufnehmen.
Und dann …?
Dann landet es zuerst in meiner Library. Irgendwann bearbeite ich die Geräusche und mache daraus Patterns, Loops. Ich habe rund acht Festplatten davon, Tausende von Fragmenten. Glücklicherweise habe ich ein gutes Gedächtnis und weiss, wo ich was abgelegt habe. Ich arbeite wie ein Eichhörnchen, das seine Schätze versteckt. Diese Schätze hole ich bei Bedarf hervor und kreiere daraus Songs.
Das geschieht alles elektronisch?
Nicht nur. Begonnen habe ich als Teenager völlig analog. Ich nahm Geräusche aller Art auf. Die Tonbänder zerschnitt ich dann in Schnipsel, die ich neu zusammenmontierte. Ich hab die Bänder mit Hilfe von Bleistiften über ganze Tischplatten gespannt und umgelenkt, sodass ich einen Loop collagieren konnte. Später kam das digitale Sampeln, das meine Arbeit heute weitgehend prägt.
Du warst ein Pionier dieser Collagetechnik.
Im Sinne eines dilettantisch und naiv Suchenden, ja. Das bin ich bis heute, nur brauche ich nun einen Bruchteil jener Zeit damals am Küchentisch, um Loops zu sampeln.
Boris Blank greift nach seinem Smartphone und klickt die «Yellofier» an. Diese App hat er selbst entwickelt. Sie erlaubt ihm, Aufnahmen dank Sampler und Step-Sequenzer sofort zu bearbeiten. Mit seinen flinken Fingern formt er aus einer Aufnahme in Sekunden einen rhythmisch groovenden Loop.
Die «Yellofier» kann jedermann kaufen und damit seinen ganz eigenen Yello-Song basteln …
Na ja, das nicht gerade.
Noch immer hantiert er am Smartphone, verschiebt die Töne, stapelt und verschachtelt sie. Er strahlt.
Die App fördert die Kreativität. Das ist wichtig angesichts der heute weit verbreiteten musikalischen Belanglosigkeit. Ich weiss von einem kalifornischen Kindergarten, in dem sie die «Yellofier» im Musikunterricht eingesetzt haben. Die Kids waren begeistert.
Wenn die Kids ihre eigenen Yello-Songs basteln können, braucht es Yello dann überhaupt noch?
Keine Angst, wir haben noch viele knackige Ideen! Das nächste Yello-Album erscheint 2015.
Interview: Frank von Niederhäusern
Boris Blank
1952 in Zürich geboren, gründete Boris Blank Ende der 1970er-Jahre mit Carlos Perón und dem Künstler Dieter Meier die Band Yello. 1984 verliess Perón die Band. Yello gelten als Pioniere der elektronischen Musik und schrieben Geschichte auch mit ihren Videoclips. Das Duo feierte international Erfolge und existiert bis heute. Boris Blank lebt mit Frau und Tochter in Zürich.
CDs/DVD
Boris Blank: Electrified (2 CDs)
(Universal 2014).
Zudem erscheint eine Deluxe-Version mit 2 CDs + DVD,
Ab sofort ist zudem bei iTunes die neue App Yellofier_Electrified erhältlich.