kulturtipp: Klaus Doldinger, spielen Sie gerne in hehren Kulturtempeln?
Klaus Doldinger: Ich hab auch schon in den Philhamonien von Köln oder Berlin gespielt. Das ist sehr schön, solange der Raum gut klingt.
Sie gelten als «Bühnentier», das den Kontakt zum Publikum sucht. Gelingt das nicht besser in kleinen Clubs?
Natürlich sind Clubs intimer, und Konzerte in grossen Sälen sind eine Herausforderung. Wenn der Funke zum Publikum dann trotzdem überspringt, ist das was ganz Besonderes.
Sie werden demnächst 77. Wie schaffen Sie es, Ihre Konzerte im wörtlichen Sinne durchzustehen?
Bis anhin ist mir das ganz gut gelungen. Ich lebe einigermassen gesund. Und auch wenn es mir mal nicht so gut geht, fühle ich mich auf der Bühne meistens wieder völlig in Ordnung.
Musik wirkt bei Ihnen also als Jungbrunnen?
Jazz wirkt als Jungbrunnen. Jeder Musiker, der improvisiert und seine Stücke frei interpretiert, der Spannungen und Power rüberbringt, wird Ihnen bestätigen, dass dies den Lebensnerv stärkt.
Dennoch: Konzertreisen sind anstrengend und auch mühsam. Was treibt Sie bis heute an, von Stadt zu Stadt zu ziehen?
Mit Passport spiele ich ja nur 30 bis 50 Konzerte pro Jahr. Zwischendurch arbeite ich an anderen Produktionen in meinem Studio. Die Tourneen sind willkommene Abwechslungen.
Aber Hand aufs Herz: Sie hätten diese Tourneen doch gar nicht mehr nötig!
Ich stand vor exakt 60 Jahren erstmals auf einer Bühne, und mir macht das bis heute Spass.
Zumindest im deutschsprachigen Raum spielen Sie kein Konzert ohne Ihren grossen Hit: Das «Tatort»-Signet. Können Sie dieses Stück überhaupt noch hören?
Wir wissen uns schon zu helfen. Indem wir das Stück immer anders spielen, die Soli anders verteilen oder neue Aspekte hervorheben. Dieses stetige Neuentdecken und -interpretieren ist ja das Reizvolle an unserer Art von Musik.
Worin gründet Ihr ungebrochener Erfolg?
Wir machen halt lebendige Musik …
Inwiefern?
Wir spielen mit Engagement, Herz und Spielfreude.
Jazz klingt heute aber anders als noch vor 40 Jahren. Reiten Sie mit Passport auf der Retro-Welle?
Nein, ich will keiner Welle entsprechen. Auch wir bei Passport versuchen, unsere Musik stets weiterzuentwickeln.
Anders gefragt: 1971, als Sie mit Passport begonnen haben, wurden Sie als Pionier gefeiert.
Die 1970er-Jahre waren eine Zeit des Umbruchs. Wir spielten damals auf vielen deutschen Rockfestivals und fanden Gehör mit unserer neuen Sicht der Dinge.
Die da war?
Ich kam ja vom Bebop, hatte aber engen Kontakt mit der Rockmusik, die damals noch Beatmusik hiess. Hinzu kamen meine Erfahrungen von Tourneen nach Südamerika, Nordafrika, Fernost. Diese Kombination aus Jazz, Rock und Ethnomusik hat zum Passport-Konzept geführt.
Ihre Musik lebt vom pulsierenden Groove. Aber Sie haben auch mal mit Freejazz geliebäugelt.
Ich hab immer verschiedene musikalische Elemente verwoben, und da gab es auch Einflüsse der freieren Musik. Aber Freejazz an sich war nie mein Ding. Ich lege Wert auf eine gewisse Form und eingängige Kompositionen, an denen auch die Band Spass hat.
An welcher Musik haben Sie selbst Spass? Was hören Sie privat?
Das geht querbeet von Klassik bis zu aktueller Musik. Ich greife aber auch gerne in meinen Plattenschrank, höre Lester Young, John Coltrane oder Charlie Parker.
Sie haben unzählige Film- und TV-Soundtracks komponiert. Wie kamen Sie zum bewegten Bild?
Die Filmmusik ist ein anderes Genre als Jazz. Auch Miles Davis’ Soundtrack zu «Escalier pour l’échafaud» hat mit Jazz nur wenig zu tun. Diese gänzlich andere Musiksprache hat mich interessiert, weil man sich beim Schreiben an der Dramaturgie des Regisseurs, an den Bildern und Dialogen orientieren muss.
Auch Ihre Soundtracks sind sehr eingängig. Komponieren scheint Ihnen sehr leicht zu fallen.
Na ja, ich lasse die Ideen kommen und nehme sie immer gleich auf in verschiedenen Varianten. Gemeinsam mit dem Regisseur wähle ich die beste aus. Und die stimmt dann.
Sie wurden als «Botschafter des Jazz» tituliert, sind Träger des Bundesverdienstkreuzes und hören sich jeden Sonntag auf ARD. Wie lebt es sich als Jazz-Ikone?
Ich sehe mich nicht so. Aber eine Ehrung ist immer auch eine Herausforderung.
Klaus Doldinger
Der Saxofonist, Komponist und Bandleader Klaus Doldinger ist 1936 in Berlin geboren und in Wien aufgewachsen. In Düsseldorf studierte er Klavier, Klarinette und Sopransaxofon. Er spielte in Dixielandbands und gründete 1961 sein eigenes Quartett. Als Paul Nero nahm er Beat-Platten auf, gleichzeitig experimentierte er mit Ethnomusik aus aller Welt. 1971 gründete er die Fusionband Passport, mit der er unzählige LPs und CDs einspielte und bis heute internationale Erfolge feiert. Als Filmkomponist vertonte Doldinger Blockbusters wie «Das Boot» oder «Die unendliche Geschichte», aber auch TV-Serien. Am bekanntesten ist das «Tatort»-Signet.
CD
Passport: Inner Blue
(Warner 2011).
Passport:
Original Album Series
5 CDs (Warner 2011).
Konzert
Klaus Doldinger’s Passport/
Herbie Kopfs Swilit
So, 14.4., 19.00 KKL Luzern