kulturtipp: Es tönt im Hinterkopf immer «von Karajan». Sie aber sind Isabel Karajan – warum eigentlich?
Isabel Karajan: Dieses «von» gehörte nie zu meinem Namen, in meinem Pass stand von Anfang an Isabel Karajan. Österreich hat den Adel schon im Jahr 1919 abgeschafft, mein Vater aber durfte dieses «von» als Künstlernamen behalten.
Sie sind in Igor Strawinskys «L’histoire du soldat», das in Wettingen aufgeführt wird, die Sprecherin. Im Stück geht es auch um Heimatliebe. Kennen Sie dieses Gefühl?
Ehrlich gesagt: Es fällt mir schwer, von Heimatliebe zu sprechen. Heimat ist da, wo jene Menschen sind, die mir wichtig sind. Ich habe aber schon immer ein Zigeunerleben geführt. Ich wuchs in Graubünden auf, ging dort zur Schule. Danach lebte ich eine Zeit lang in Salzburg, dann in Paris. An und für sich war meine Heimat immer die Schweiz. Darum konnte ich einst fliessend «Bündnerdütsch».
Gehen wir einen Schritt weiter, zu Ihrer Taufe. Warum um Himmels willen wurden die Wiener Philharmoniker Ihre Taufpaten –Ihre Gottis und Göttis? Ein Kind will doch eine richtige Taufpatin!
Keine Angst, ich hatte daneben eine richtige. Da bei der Taufe ein paar Musiker der Wiener Philharmoniker spielten, ergab sich diese spezielle Patenschaft.
Dennoch: Das Ganze hatte System. Die Paten Ihrer Schwester Arabel waren die Berliner Philharmoniker. Dies tönt für Aussenstehende nun mal nach typisch karajanscher Geste – pompös!
Nein, nein, das ergab sich so bei mir, und bei meiner Schwester zog man es halt weiter mit den Berlinern. Das war nichts Grosses. Aber klar, von aussen sieht es nach Inszenierung aus. Das ist ganz merkwürdig. Mein Vater wurde oft in ein pompöses Licht buxiert. Aber da fühlte er sich gar nicht wohl. Er war am liebsten mit uns zu Hause. Da waren bisweilen ein oder zwei Freunde zu Gast. Aber viel Aufhebens zu machen, hat er gehasst. Die Leute interpretieren gerne Dinge in dieses Leben hinein, weil sie in ihm immer nur den grossen Dirigenten sehen.
Im «Histoire du soldat» geht es neben vielem anderen auch um die Frage, Geld oder Kunst …
… ist es Kunst oder nicht viel eher die Seele? Aber klar, beides ist stark miteinander verbunden.
Ihr Vater machte Kunst zu unheimlich viel Geld, zu einem Imperium. Wie merkten Sie das?
Wir wuchsen auf dem Land auf, gingen dort zur Schule. Mir war der ganze Zirkus rundherum zu viel, wenn wir dann mal mitgingen. Ich war froh, wenn ich wieder meine Lederhose anziehen und auf Bäume kraxeln konnte.
Hat Sie die Kunst Ihres Vaters – vielleicht auch die Regiekunst, das Szenische – interessiert, als Sie älter wurden?
Ja, ja, aber das hatte nicht direkt mit meinem Vater zu tun. Ich begann ja schon in Zuoz, Theater zu spielen. Andere Schulen borgten sich die Mädchen für ihre Theater-Produktionen aus unserer Schule aus. Schliesslich spielte ich in Salzburg in Max Frischs «Andorra» die Barblin. Das war ein entscheidender Moment in meinem Werdegang, denn kurz vor der Matura war mir klar, dass ich Schauspielerin werden würde.
Man wird ja nicht zufällig Schauspielerin. Sie sassen von Kind auf in den Opernhäusern.
Ja, schon, aber der Entscheid hatte nichts mit meinen Eltern zu tun. Hätte es mit den Eltern zu tun, würde ich jedem davon abraten, Schauspieler zu werden. Dafür muss man einen Drang haben, eine Notwendigkeit spüren, sonst wird das nichts. Meine Eltern förderten den Entscheid nicht, sie hatten sogar Angst, dass ich das nicht durchziehe, dass ich scheitern würde. Mit gewissem Recht, denn es ist ein unheimlich schwieriger Beruf. Ich habe mich in der Szene ziemlich alleine durchgekämpft.
Ihr Vater sagte einmal, er würde sich gerne einfrieren lassen, damit er zukünftige Aufnahmetechniken erleben könne. Ein Mann, der die Zukunft liebte. Erkannten Sie diesen Zug an ihm?
Ja, durchaus. Er wurde 1908 geboren, erlebte diese ungeheuren technischen Fortschritte allesamt mit: von der Schellack-Platte bis zur CD. Diese Entwicklung verfolgte er und gestaltete sie mit. Er war neugierig und blieb es sein ganzes Leben lang.
Isabel Karajan
Isabel Karajan wurde 1960 in Wien geboren. Sie ist die Tochter von Herbert und Eliette von Karajan. Mit 16 entschied sie sich, Schauspielerin zu werden. Nach ihrem Studium in Wien und Paris führten sie ihre Rollen unter anderem nach Zürich, Hamburg und Salzburg. In den letzten Jahren war sie auch in Fernsehrollen zu sehen, darunter die TV-Serien «Julia», «Soko Kitzbühel» und «Schlosshotel Orth». Heute gibt sie oft musikalische Solo-Theaterabende. Ihr Ehemann, mit dem sie eine Tochter (* 1994) hat, kam im Februar 2011 im Alter von 58 Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben.
Histoire du soldat
Isabel Karajan ist in Igor Strawinskys «Histoire du soldat» nicht einfach nur die Erzählerin. Sie bietet eine wilde Theaterfassung, in der sie den Soldaten, den Teufel und naturgemäss den Erzähler spielt. Die Musiker sind dadurch stark gefordert. Bettina Boller wird in Wettingen als Geigerin bzw. als Soldat auftreten.
Wettinger Kammerkonzerte
Fr, 4.4, 20.00
Margeläcker Wettingen AG
Reservationen: info@w-kk.ch