Der Film erzählt vom Ende her ein allzu kurzes und intensives Künstlerleben: Der Maler Egon Schiele (1890–1918) liegt mit 28 Jahren krank darnieder. Seine Schwester Gerti hat in der schweren wirtschaftlichen Zeit während des Ersten Weltkriegs Kohle beschaffen können, damit sich das kalte Zimmer von Bruder Egon heizen lässt.
Im Nebenraum liegt seine Ehefrau tot im Bett. Gerti versucht, ihren Bruder zu retten. Dazu benötigt sie das Mittel Chinin, das es im letzten Kriegsjahr nur auf dem Schwarzmarkt gibt. Die einschlägigen Händler treiben ihr Geschäft im heruntergekommenen Theater im Wiener Vergnügungspark Prater. Gerti gelingt es unter Opfern, hier das Heilmittel zu besorgen. Aber es ist zu spät. Drei Tage nach seiner Ehefrau Edith wird Egon Schiele, gerade mal 28 Jahre alt, am 31. Oktober 1918 von der Spanischen Grippe dahingerafft.
Damals ist der junge Künstler Egon Schiele daran, seinen eigenen Stil zu finden. Vom engen künstlerischen Korsett der geltenden offiziellen Lehre will er sich befreien. An der Akademie in Wien ist der junge Wilde eh nicht genehm. Man wirft ihn «wegen Unbotmässigkeit» raus. Rast- und ruhelos, als Getriebener geht Schiele seinen eigenen Weg. Er verabschiedet sich vom Jugendstil seines älteren Künstlerfreunds und Förderers Gustav Klimt, sucht in der Kunst innere Wahrheit, ein Abbild der Seele.
Schiele findet zum Expressionismus. Stilbildend werden seine Frauenakte und Porträts mit den typischen dünnen Gliedmassen und verzogenen Perspektiven – provokative Bilder. Der Kaiser persönlich soll in einer Ausstellung angesichts von Schieles Kunst gesagt haben: «Das ist entsetzlich.»
Für Schiele selber ist freilich klar: «I bin a Künstler und ka Pornograf.» Seine Mission verfolgt er kompromisslos. So schreibt er in Grossbuchstaben diesen Satz an die Atelierwand: «Ein Kunstwerk hat Heiligkeit.» Sein Credo lautet: «Kunst kannst ned kaafn. Kunst is unbezahlbar.»
Prozess wegen unzüchtiger Bilder
Eine bedeutende Begegnung wird jene mit der 17-jährigen Wally. Sie fungiert nicht nur als Modell, sondern wird eine Art «Managerin», die sich um die administrativen Belange des Künstlers Schiele kümmert. Und natürlich seine Geliebte. Sie hält in allen schweren Zeiten zu ihm. Als er ein paar Tage ins Gefängnis muss, besucht sie ihn als einzige. Wegen angeblicher «Schändung» wird ihm der Prozess gemacht. Unzüchtig seien seine Bilder eh. Der Richter verbrennt demonstrativ eine Schiele-Zeichnung – «Ich bin Künstler. Ich habe die Verantwortung, die Freiheit der Kunst zu verteidigen», lautet die Antwort.
Dann das traurige Ende: Schiele heiratet, weil es «günstiger» ist, die Bürgerstochter Edith. Ein letztes Mal treffen sich Schiele und Wally. Es entsteht ein Gemälde mit den beiden, auf dem Sofa liegend. «‹Mann und Mädchen›, wollen wir das Bild so nennen?» Wally geht als Militärkrankenschwester nach Dalmatien, wo sie 1917 an Scharlach stirbt. An der Vernissage zur Ausstellung in der Wiener Secession im März 1918 trifft Schwester Gerti ihren Bruder Egon in einem Nebenraum vor einer Beige mit Katalogen. Von Hand korrigiert Schiele die Bildnummer 18 mit dem Titel «Mann und Mädchen» in «Tod und Mädchen».
Künstlerporträt und ein Stück weit Zeitgeschichte
Ein kurzes, tragisches Leben findet ein halbes Jahr später ein Ende. In Auszügen ist es zum Film geworden, der Künstlerporträt ist und gleichzeitig ein Stück weit Zeitgeschichte vermittelt: Kunst in einer Zeit der drohenden Katastrophe und im Ersten Weltkrieg.
Egon Schiele hinterliess rund 2000 Zeichnungen und Aquarelle sowie gut 300 Ölgemälde, die heute Millionen wert sind. Das Drehbuch zum Film orientiert sich am biografischen Roman «Tod und Mädchen. Egon Schiele und die Frauen» der Österreicherin Hilde Berger (erstmals erschienen 2009). Regisseur Dieter Berner und Schriftstellerin Hilde Berger sind verheiratet und haben hier nicht zum ersten Mal ein Drehbuch zusammen geschrieben. Der Film verzichtet auf prominente Besetzung, profitiert vielmehr von unverbrauchten jungen Schauspiel-Gesichtern. Allen voran Schiele-Darsteller Noah Saavedra als getriebener, rastloser junger Wilder, der die Kunst und die Frauen liebte; Maresi Riegner als aufopfernde Künstler-Schwester Gerti und Valerie Pachner in der Rolle von Schieles Muse und wichtigstem Modell Wally.
Buch
Hilde Berger
«Tod und Mädchen. Egon Schiele und die Frauen»
223 Seiten
(Aufbau Taschenbuch 2011).
Film
Egon Schiele – Tod und Mädchen
Regie: Dieter Berner
Ab Do, 5.1., im Kino