Fast eine halbe Stunde lang dauert das Musikstück, das aktuell im Zürcher Schiffbau das Theaterpublikum auf die Folter spannt. John Cages Komposition «44 Harmonies from Apartment House 1776», die Christoph Marthaler ins Zentrum seines neuen, gleichnamigen Stückes stellt, lebt von zahlreichen, teils langen Pausen. «Eine Herausforderung für das Publikum, aber auch für uns», sagt Hyazintha Andrej. Die junge Cellistin spielt mit drei Kolleginnen den Musikpart des Stücks. Seit der Schulzeit steht sie erstmals wieder auf einer Theaterbühne, ist für die Rolle aber prädestiniert.
Das Cello als Freund der damals Fünfjährigen
Die junge Grazerin, die seit 2014 in Zürich studiert, ist allseits im Gespräch. Gerade hat sie sich einen Migros-Studienpreis erspielt, im Sommer gewann sie den Solistenwettbewerb am Valiant Forum Murten. Sie spielt als «Zuzüglerin» mit dem Tonhalle-Orchester oder demnächst am Basler Mizmorim Festival, ist aber auch mit ihrem Impro-Trio oder dem Experimental-Quartett Menschenstoff in Jazzclubs unterwegs. Dennoch versteht sich Hyazintha Andrej in erster Linie als klassische Musikerin. «Das Cello ist ein gesangliches Instrument, was in Werken von Bach oder Brahms besonders zum Tragen kommt.» Für ihr Bachelor-Konzert hat sie aber ein Trio des Avantgardisten Bernd Alois Zimmermann gespielt. «An der ZHdK konnte ich mich dank Dozierenden wie Burkhard Kinzler oder Lucas Niggli für die zeitgenössische Musik begeistern», sagt die Musikerin.
Die Mutter der 1995 geborenen Hyazintha ist Flötenlehrerin und sah ihre Tocher als Geigerin oder Bratschistin. Das Mädchen aber wollte partout Cello spielen und setzte sich durch. «Mit fünf hatte ich mein Cello», strahlt sie. «Das riesige Instrument war mein Freund, mit dem ich jeden Tag vor dem Kindergarten übte.» Schon als Teenager spielte Andrej Konzerte und Wettbewerbe. Nach sieben Jahren Hochbegabten-Förderung in Graz kam sie nach Zürich, wo sie bei Thomas Grossenbacher studiert. Dieser ist offen für Neue Musik. Ihre Ausflüge in experimentelle Musik unternimmt sie aber aus eigenem Antrieb: «Die verschiedenen Klangsprachen bereichern sich gegenseitig.» Die Theaterarbeit mit Christoph Marthaler sei eine interessante Erfahrung, werde aber kaum zu einem neuen Standbein. «Der zeitliche Aufwand ist sehr gross.»
Nun steht ohnehin der Master an, auf den Andrej bald einen zweiten folgen lassen will. Ihr Wunschlehrer ist in Wien, wo sie gerne eine Zeit lang leben würde. Ein leises Heimweh nach Österreich ist spürbar. «Dort gibt es nämlich Wohnungen», lacht Hyazintha Andrej, «die nicht nur schön sind, sondern auch bezahlbar.»
Aufführungen
44 Harmonies from Apartment House 1776
Bis Mi, 9.1., Schauspielhaus im Schiffbau Zürich
Hebräische Melodien
Fr, 18.1., 20.30 Mizmorim Festival Basel
Hyazintha Andrejs Kulturtipps
BUCH
Robert Seethaler: Ein ganzes Leben (2016)
«Seethalers entschleunigte Geschichte ist unglaublich schön erzählt. Sie tut gut in unseren stressigen Zeiten und zeigt, dass man auch mit wenig zufrieden sein kann.»
CD
Pieter Wispelwey: Bachs Cello-Suiten (2012)
«Bach zu spielen ist heikel, seine Musik ist Geschmacksache. Mir gefällt Pieter Wispelweys Interpretation seiner Cello-Suiten noch immer an besten, und ich höre sie mir oft an.»
DVD
Josef Hader: Wilde Maus (2017)
«Keine tiefgründige Geschichte, aber ein wunderbarer Film für alle, die Josef Hader, seinen Humor und seine Art der Inszenierung mögen. Ich habe fast durchgehend gelacht.»