Hugo Hamilton Unten durch in Irland
Der neue Roman «Der irische Freund» von Hugo Hamilton ist typisch irisch. Oder zumindest so, wie man sich als Kontinentaleuropäer eine irische Geschichte vorstellt.
Inhalt
Kulturtipp 14/2011
Letzte Aktualisierung:
11.03.2013
Rolf Hürzeler
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Hugo Hamilton steht der junge serbische Einwanderer Vid Cosic als Ich-Erzähler. Der vom Bürgerkrieg traumatisierte Immigrant schlägt sich in seiner neuen Heimat am Rande der Gesellschaft durch. Doch die unerwartete Freundschaft mit dem irischen Rechtsanwalt Kevin verspricht ihm soziale Sicherheit und etwas Geborgenheit.
Die Männerfreundschaft kann nicht halten: Der Serbe durchschaut die doppelbödige Bürgerlichkeit Kevins u...
Im Mittelpunkt des neuen Romans von Hugo Hamilton steht der junge serbische Einwanderer Vid Cosic als Ich-Erzähler. Der vom Bürgerkrieg traumatisierte Immigrant schlägt sich in seiner neuen Heimat am Rande der Gesellschaft durch. Doch die unerwartete Freundschaft mit dem irischen Rechtsanwalt Kevin verspricht ihm soziale Sicherheit und etwas Geborgenheit.
Die Männerfreundschaft kann nicht halten: Der Serbe durchschaut die doppelbödige Bürgerlichkeit Kevins und seiner kleinbürgerlichen Familie, in deren Vergangenheit ein mysteriöses Verbrechen lauert: Der Jahrzehnte zurückliegende Tod der schwangeren Maire Concannon an der Westküste. Sie starb als eine von der katholischen Kirche Verfemte – Mord oder Selbstmord? Niemand will es wissen. «Dieses Vertuschen ist heute weiter verbreitet denn je», sagt Hamilton im Gespräch mit dem kulturtipp. Wichtig in der irischen Gesellschaft sei vor allem die gesellschaftliche Fassade.
Der 58-jährige Autor ist ein in Irland vielfach ausgezeichneter Schriftsteller. Seine Mutter war Deutsche, er wuchs mit den Sprachen Englisch, Deutsch und Gälisch auf, wobei ihm sein nationalistischer Vater den Gebrauch des Englischen verbot. Diese Erziehung liess Hamilton anscheinend während seiner Kindheit in Dublin als Aussenseiter zurück. Entsprechend überzeugend vermag er die verstörte Sicht seines serbischen Protagonisten zu zeichnen: Der junge Serbe leidet an der Diskrepanz zwischen Sein und Schein in einer anscheinend wohlgeordneten Gesellschaft. «Doch sie ist alles andere als friedlich», sagt Hamilton, «besonders die Gewalt in den Familien ist brutal und wird verschwiegen.»
Der Autor knüpft mit dieser Sichtweise an eine typisch irische literarische Tradition an, die auch bei John M. Synge oder gar James Joyce zu finden ist: Die Selbstgerechtigkeit einer gottesgläubigen Gesellschaft, die durch und durch verlogen ist. Das Schicksal des Emigranten Vid in Dublin nimmt einen absehbaren Verlauf. Der Gutgläubige gerät nach einer Schlägerei zusehends in Nöte und findet nur Enttäuschung, wenn er Hilfe erwartet. Denn sein Kampf um Anerkennung in dieser Gesellschaft ist hoffnungslos: «Ich blieb sozusagen ein Mensch aus zweiter Hand.»
[Buch]
Hugo Hamilton
Der irische Freund
Aus dem Englischen
von Henning Ahrens
288 Seiten
(Luchterhand 2011).
[/Buch]