Auf einmal ist der Sendeturm von Beromünster verschwunden. Eben noch stand er stolz oben auf dem Blosenberg. Doch jetzt hat der Wind grau-weisse Wolken auf die Anhöhe getrieben – sie haben den 217 Meter hohen Turm innert Kürze verschluckt. Die schaurige Szenerie kommt gerade richtig, denn unten im Tal ertönen die ersten Szenen eines Krimi-Hörspiels aus einem Lautsprecher am Wegrand: Beromünster, 1961, Bauer Kunz hat eine Leiche entdeckt.
Der Mundart-Krimi «Der Tote und das Heilige Feuer» ist eine von drei Hörgeschichten, die es auf dem Beromünster Radioweg zu hören gibt. Seit 2005 existiert dieser; Anfang des Jahres hat der Trägerverein nun die Freiluft-Radiostationen erneuert (siehe Interview). Auf den neuen, roten Lautsprechern laufen jetzt gleich drei verschiedene Hörspiele. Neben dem Krimi bietet «Töne vom Wegrand der Geschichte» mit Archivmaterial einen Einblick in die Schweizer Radiogeschichte. Und «Züsler, Türst und Sträggele» entführt einen in die Sagenwelt der Region.
Ein Toter neben dem Leopolds-Chäppeli
Los geht es beim Busbahn-hof, wo eine grosse Tafel über den Streckenverlauf informiert. Ab nun folgt man stets den roten Wegweisern, vorbei am Schlossmuseum Beromünster, danach hoch zum Chorherrenstift St. Michael. Am Rand des Dorfs trifft man schon bald auf die erste Hörstation. Die insgesamt sieben Lautsprecher sind auf etwas über drei Kilometer verteilt. Die Steigung ist meist leicht, die gut 160 Höhenmeter bis zum Ziel auf dem Blosenberg geht man vorwiegend auf Asphalt.
Station 2, etwas oberhalb von Beromünster. Hier geht eine leichte Brise – ein willkommenes Geschenk an diesem schwül-warmen Sommermorgen. In unmittelbarer Nähe ist das Leopolds-Chäppeli zu sehen, bei dem der Tote vom Hörspiel gefunden wurde. Also: Den linken Drehknauf des Lautsprechers auf Kanal 1, schon be-ginnt die nächste, gut fünfminütige Episode des Krimis. Edwin Rösli vom kantonalen Morddezernat ist aus Luzern angereist und begutachtet die Leiche: «Ä Schuss is Härz vo nöchster Nöchi. Ä komischi Chopfstellig het dä aber – es gseht fasch so us, aus hätmer em ou s Gnick broche.» In diesem Moment fährt auf dem nahen Strässchen ein Traktor vorbei, deshalb stellen wir den Lautsprecher kurz etwas lauter. Die Tonqualität der Hörstationen ist gut. Ohne Problem kann man es sich auf den Bänkchen gemütlich machen, die jeweils neben den Geräten aufgestellt sind.
Hörstücke, Geografie und Regionalgeschichte
Mittlerweile verhüllt nur noch ein Wolkengürtel den Rumpf des Sendeturms. Von 1937 bis zur Abschaltung 2008 war das Bauwerk das Herzstück des Landessenders Beromünster. Seit 2009 steht es unter Denkmalschutz. Wer sich auf dem Radioweg mit «Töne vom Wegrand …» durch die Radiogeschichte hört, wird den Turm fast immer im Blick haben. Generell ist das Zusammenspiel von Hörstücken, Regionalgeschichte und Geografie gelungen. Zwischen Weizenfeldern und Weilern etwa erfahren die Zuhörer des Krimis von Edwin Röslis Fährte: Hatte der Tote etwa mit dem Mutterkorn-Anbau zu tun? Damals verkauften die lokalen Bauern diesen Pilz tatsächlich an die Basler Chemie, die ihn für die Herstellung von LSD brauchte. Oder ging es doch um Eifersucht?
Auf zur nächsten Station. Spass macht an dieser Wanderung übrigens auch der Weg an sich. Dieser führt etwa durch die Waldkathedrale Schlössliwald, die das Stift St. Michael 1790 in Auftrag gab. Ein lauschiger und eindrucksvoller Ort: Auf einer Länge von 140 Metern formen unzählige Kastanien die drei Längsschiffe einer Kirche.
Polizist Rösli auf dem Blosenberg
Zurück auf der schmalen Strasse Richtung Blosenberg, lassen sich immer wieder kleine Flugzeuge beobachten, die vom Flugplatz Beromünster starten und davonsurren. Nach etwa eineinhalb Stunden ist schliesslich das Ziel des Radiowegs erreicht. Hier, an der letzten Hörstation auf dem Blosenberg, kann man in alle Himmelsrichtungen schauen. Die Wolken haben sich mittlerweile verzogen. Der imposante Sendeturm Beromünster präsentiert sich in seiner ganzen Grösse. Und der Polizist Edwin Rösli? Im Krimi-Hörspiel führt die 30-Jahr-Feier des Landessenders 1961 auch ihn auf den Blosenberg. Dem Täter ist er dicht auf den Fersen.
Beromünster Radioweg
Plan und Infos: www.beromuenster-radioweg.ch
4 Fragen an Ueli Kleeb vom Verein Beromünster Radioweg
«Mit den neuen Geräten können wir nachts ruhig schlafen»
kulturtipp: Ueli Kleeb, was sind die Herausforderungen beim Betreiben des Radiowegs?
Ueli Kleeb: Vor allem die Abspieltechnik stellt eine grosse Herausforderung dar, weil unsere Geräte das ganze Jahr über draussen sind. Und die Temperaturunterschiede sind manchmal extrem – von minus 20 Grad im Winter bis über 30 Grad im Sommer.
Musste der Radioweg auch deshalb saniert werden?
Genau. Wir fingen einst mit Holzkästen an, die alten Radios nachempfunden waren. Die räumten wir im Herbst ab, weil wir Angst hatten, dass sie den Winter draussen nicht überdauern würden. Danach wurden wir mutiger. Wir bauten Kästen, die wir das ganze Jahr stehen lassen konnten, dann solche aus Metall mit Heizung und Lüftung. Mit den neuen Geräten können wir nachts ruhig schlafen – die laufen.
Wie wichtig war Ihnen, dass die Geschichten in Beromünster verankert sind?
Das war uns sehr wichtig. Der Krimi spielt sich voll in dieser Landschaft ab. Die Sagen sind ebenfalls in der Region eingebettet. Und «Töne vom Wegrand der Geschichte» gehört für uns einfach dazu, weil dieses Hörstück am Geburtsort des Schweizer Radios schlechthin die Radiogeschichte erzählt.
Wie wird sich der Radioweg weiterentwickeln?
Mit den neuen Geräten können wir nun stärker auf spezifische Zielgruppen eingehen. Aktuell haben wir noch drei Formate, die zu verschiedenen Zeiten schon einmal auf dem Radioweg liefen. Für 2022 planen wir aber zwei neue Hörstücke: Ein Wissenschaftshörspiel für Kinder, Jugendliche und Schulen, in dem es um das Thema Klimawandel geht. Und ein zweites, das vom ersten in der Schweiz gedruckten Buch erzählt, das ja in Beromünster entstand. Auch bei diesen zwei künftigen Hörspielen werden die Zuhörer voll in der Geschichte stehen – sogar noch mehr als zuvor.
Weitere Hörspiel- und Klangwege
Textildorf hörbar, Rehetobel AR
Hörweg zur Textilgeschichte
www.textildorf.ch
Klangweg Toggenburg, Alt St. Johann SG
www.klangwelt.swiss
Sinn- und Klangweg, Düdingen FR
www.fribourgtourisme.ch
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Hörspielweg Elm – Schwanden, Elm GL
www.unesco-sardona.ch
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Hörspiel-Rundgang, Niedergesteln VS
Der Tuff von Gestelnburg
www.castellione.ch
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