«Imperium» (2012) ist eine Abenteuergeschichte aus der wirklichen Welt, ein Historienroman aus kolonialen deutschen Zeiten, eine Geschichtssatire mit grotesken Überhöhungen über ein aberwitziges Unternehmen. Der Deutsche August Engelhardt aus Nürnberg, «Bartträger, Vegetarier, Nudist», macht sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf in die Südsee, nach Deutsch-Guinea, wo er eine Insel samt Kokospflanzung erwirbt und einen Kokosnussesser-Orden gründet.
An der Cocos nucifera soll die Welt genesen. Kokos notabene als einziges Nahrungsmittel. Wer sich ausschliesslich von ihr ernähre, «würde gottgleich, würde unsterblich werden». Man ahnt es schon: Der Plan wird fatal fehlschlagen, das klägliche Scheitern von Engelhardts abstrusem «Kokovorismus» ist vorbestimmt. Auf die Dauer konnte nichts werden aus der Gemeinschaft, die sich offiziell «Sonnenorden» nannte.
«Imperium»: Reales tüchtig zugespitzt
Die Gemeinschaft gab es wirklich, und auch Engelhardt existierte. «Imperium» stützt sich auf Tatsächliches, das allerdings tüchtig zugespitzt wird. Anspielungsreich verweist der Text, ohne die Namen zu nennen, auf Schriftsteller wie Thomas Mann oder Jack London, auf Joseph Conrad und seine Afrika-Erzählung «Herz der Finsternis», auf Sigmund Freud oder auf das Comic-Epos «Südseeballade» des Italieners Hugo Pratt.
Walter Adler, der «Imperium» fürs Radio bearbeitet hat, vergegenwärtigt das Geschehen, indem er die Erzählzeit von der Vergangenheit ins Präsens überträgt. August Engelhardt erhält hier mit dem Iffland-Ring-Preisträger Jens Harzer eine Stimme: Das Er des Romantexts wird zum sprechenden Ich. Die lebendigen Stimmen des hochkarätigen Hörspielensembles mit Axel Milberg, Sylvester Groth, Judith Engel, Tom Schilling u.a., die Musik von Pierre Oser, das Sound-Design mit atmosphärischen Tönen erfüllen die noble Aufgabe von Hörspielkunst aufs Beste: die Herstel-lung von Kino im Kopf. Und erst noch in schöner epischer Breite – die beiden Hörspielteile dauern zusammen gut dreieinhalb kurzweilige Stunden.
«Eurotrash»: Ein etwas anderes Roadmovie
Walter Adler ist auch verantwortlich für die Bearbeitung und Regie des zweiten Streichs, der wie «Imperium» eine Gemeinschaftsproduktion des Hessischen Rundfunks und des Südwestrundfunks ist. «Eurotrash» ist Christian Krachts aktueller Roman, ganz gegenwärtig und autobiografisch grundiert. Ein gewisser Irrwitz macht sich auch hier breit, wenn der Ich-Erzähler sich zusammen mit seiner kranken Mutter von Zürich aus auf eine Schweiz-Reise begibt. Auf der Bank heben sie «sechshundert Eintausendfrankenscheine» ab, die sie in einer Plastiktüte mit sich tragen. Ein Ziel heisst Saanen im Berner Oberland, wo der Ich-Erzähler und der Autor Kracht geboren wurden. Einen seiner Reize zieht der Text aus dem Schwanken zwischen Wirklichkeit und Flunkerei. Ein etwas anderes literarisches Roadmovie, bestens geeignet als Hörspielvorlage.
Imperium (1+2)
Regie: Walter Adler
Sa/So, 25.12./26.12., 18.20 SWR 2
Eurotrash (1+2)
Regie: Walter Adler
Sa/So, 1.1./2.1., 18.20 SWR 2