Der Schriftsteller Durtal steckt im neusten Romanprojekt fest. Er möchte in die Welt des mittelalterlichen Mystikers Gilles de Rais eintauchen. Um dessen multipler Persönlichkeit auf den Grund zu gehen, reist er zu Gilles’ letzter Wirkungsstätte, dem Schloss Tiffauges in der Vendée. Dort wird ihm klar, dass Gilles die schwarze Magie bis hin zum Satanismus praktizierte.
Zurück in Paris, bändelt Durtal mit einer Verehrerin an. Als er von ihrer Schwäche für den Okkultismus erfährt, wittert Durtal eine weitere Recherche-Chance. Er lässt sich verführen und erlebt tatsächlich ihre magische Verwandlung. Als okkultes «Nachtweibchen» lockt sie ihn in sirrende Zwischenwelten.
Den fiebrigen Text «Là-bas» des Franzosen Joris-Karl Huysmans (1848–1907) adaptiert Bayern 2 für seine experimentelle Hörspielreihe «hör!spiel!art.mix» als Zweiteiler unter dem Titel «Zutiefst da drüben». Huysmans wurde bekannt durch seinen naturalistischen Roman «A rebours», in dem er die grossbürgerliche Dekadenz des Fin de siècle beschrieb. In «Là-bas» verarbeitete er sein eigenes Schicksal als unglücklicher Junggeselle und ewig Suchender. Seine Sozialkritik wandelte sich zur Selbstanalyse, wobei er den Text zeitgeistig mit Okkultismus, Alchemie und erotischen Extravaganzen einfärbte. «Là-bas» wurde bald nach Erscheinen 1891 zum Bestseller, ist bis heute auch auf Deutsch erhältlich, liest sich aber reichlich angestaubt.
Für seine Hörspielbearbeitung hat Regisseur Michael Farin aber just auf die opulente Sprachgewalt Huysmans’ gesetzt, die zwischen schneidendem Realismus und spätromantischer Schwärmerei changiert. Farin adaptiert dieses literarische Mischwesen als kühn montierte, anfänglich verwirrliche Collage. So spricht Jens Harzer die Rolle des Durtal, zieht sich zuweilen in dessen Denken und Halluzinieren zurück und liest aus dessen Roman-Manuskript. Ulrich Noethen fungiert als Erzähler, um dann plötzlich in die Rolle Durtals zu schlüpfen. Alle Stimmen jagen sich wie Irrlichter, untermalt von Franz Hautzingers betörendem Soundtrack.
So werden die beiden Hörstunden zu eigentlichen Séancen für ein Publikum, das nicht zurückschreckt vor leisem Grusel und freizügigen Passagen sowie einer akustisch ergreifend inszenierten schwarzen Messe. Der Hörgenuss wird optimiert durch das Aufsetzen eines guten Kopfhörers.
Zutiefst da drüben
Von Joris-Karl Huysmans
Hörspielbearbeitung/Regie: Michael Farin
Fr, 10.8., 21.05 BR 2 (1/2)
Fr, 17.8., 21.05 BR 2 (2/2)