Valentine Galtan ist verschwunden. Deren Grossmutter ist ausser sich und macht Lucie Toledo die Hölle heiss. DiePrivatdetektivin hatte den Auftrag, die «gefährdete» 15-Jährige zu beschatten, wobei ihr die Art der «Gefährdung» verschwiegen wurde. Nun schickt die Grossmutter die Detektivin auf die Suche nach Valentine, die diese sogleich aufnimmt. Unterstützung holt sie sich bei einer abgebrühten Ermittlerin mit dem träfen Spitznamen Hyäne. Diese lässt ihre Beziehungen in diversen Pariser Szenen spielen und erprügelt sich die Auskunft, dass sich Valentine zu ihrer Mutter nach Barcelona abgesetzt hat. Lucie und Hyäne fahren also nach Katalonien – und werden fündig.
Ein komplexes Werk mit Perspektivenwechseln
Der Plot von «Apokalypse Baby» ist schnell erzählt. Das Spezielle am 2010 erschienenen Roman von Virginie Despentes ist weniger die Story als deren Machart, die den deutschen Hörspielregisseur Martin Heindl für seine Adaption mächtig herausgefordert hat. Der Roman ist in wechselnden Perspektiven erzählt, wobei sich verschiedene Stimmen mit Innensichten der beschriebenen Figuren verweben. «Die Frage war also für das Hörspiel: Wer spricht da?», bringt es Heindl auf den Punkt.
Doch «Apokalypse Baby» ist nicht nur formal komplex. Virginie Despentes tanzt thematisch über diverse Parkette des kulturell und sozial multiplen Frankreich der Gegenwart. Damit hat sich die 49-jährige Autorin einen funkelnden Namen erschrieben. Ihr Erstling «Baise-moi» von 1994, den sie auch selbst verfilmte, hat noch Skandale ausgelöst. Despentes berichtet darin mit expliziter Sprache aus den Randgebieten der französischen Gesellschaft und thematisiert nicht nur soziales Elend, sondern auch Sex, Gewalt und die Apathie der No-Future-Jugend. In «Apokalypse Baby» und weiteren Romanen hat sie ihren Furor nur wenig gezügelt, ihr Publikum aber ist stetig gewachsen. Dies auch wegen ihrer Authentizität: Vieles, was Virginie Despentes erzählt, kennt sie aus eigener Erfahrung. Mit ihrer kürzlich abgeschlossenen Vernon-Subutex-Trilogie hat sich Despentes auch im deutschen Sprachraum zur gefeierten Autorin entwickelt.
Nichts für schwache Nerven
In Barcelona hat Valentine Galtan nicht nur ihre Mutter gefunden, sondern auch die geheimnisvolle Ordensschwester Elisabeth. Diese betraut das Mädchen mit einem Auftrag besonderer Art. Martin Heindl gelingt es mit erstaunlicher Leichtigkeit, den vielen Perspektiven und der thematischen Überfrachtung von «Apokalypse Baby» gerecht zu werden. Er montiert Stimmen, Musik und Klangkulissen zum schlüssigen Hörfilm, der freilich unter die Haut geht.
Nichts für schwache Nerven oder engstirnige Geister: In Paris und Barcelona bewegen sich Lucie und Hyäne zwischen Punks und Anarchos, perversen Lesben und Opus-Dei-Agenten. Wer sich Thriller solcher Art gewohnt ist, wird den Zweiteiler als Hörerlebnis einsaugen.
Apokalypse Baby
Von Virginie Despentes
Hörspielbearbeitung/Regie: Martin Heindl
Mi, 20.2., 20.05 BR 2 (1/2)
Mi, 27.2., 20.05 BR 2 (2/2)