Hörspiel: Schriftzeichen auf der Spur
Im neuen Hörspiel «Das Schweigen entziffern» begibt sich Regisseurin Regina Dürig auf eine poetisch dokumentarische Spurensuche: ein Stück Wissenschafts- und Lebensgeschichte zur Sprachforscherin Alice Kober.
Inhalt
Kulturtipp 20/2020
Urs Hangartner
«Was ist zu finden, wenn alles verloren ist?» Das ist eine zentrale Frage im Hörspiel von Regina Dürig, die selber als Ich-Erzählerin auftritt. Es geht um ein grosses Rätsel und um das Leben einer Frau, die Bedeutendes als Forscherin leistete.
Regina Dürig folgt den Spuren von Alice Kober (1906–1950) und ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Am Anfang steht die archäologische Entdeckung von Tontäfelchen auf der Insel Kre...
«Was ist zu finden, wenn alles verloren ist?» Das ist eine zentrale Frage im Hörspiel von Regina Dürig, die selber als Ich-Erzählerin auftritt. Es geht um ein grosses Rätsel und um das Leben einer Frau, die Bedeutendes als Forscherin leistete.
Regina Dürig folgt den Spuren von Alice Kober (1906–1950) und ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Am Anfang steht die archäologische Entdeckung von Tontäfelchen auf der Insel Kreta im Jahr 1900. Auf ihnen fanden sich rätselhafte Schriftzeichen. Es ist die sogenannte «Linearschrift B», die im 15. Jahrhundert vor Christus entwickelt worden ist. Da die beschrifteten Tontäfelchen nur getrocknet, nicht gebrannt wurden, blieben sie erhalten beim Brand des Palastes von Knossos auf Kreta. Sie sind, wie es im Hörspiel heisst, «unvergänglich geworden durch den Untergang».
Alice Kober widmet sich neben ihrer Arbeit als Lehrerin für Altphilologie am Brooklyn College in New York ganz der Erforschung der Schrift. Man attestiert ihr «Sturheit und Unbeirrbarkeit bis zur Obsession». Ihr gelingt es, massgebliche Grundlagen zur Entzifferung zu schaffen. 200 000 Karteikarten hinterlässt sie, Notizbücher, Briefe.
Regina Dürig sichtet die Quellen, besucht Schauplätze in den USA, tritt in einen imaginierten Dialog mit Alice Kober. Ihre Spurensuche begleitet Co-Regisseur Christian Müller mit seinen musikalischen Klangräumen. Die Hoffnung, die einzige Aufnahme von Alice Kobers Stimme zu finden, bleibt unerfüllt: Die Radiosendung, in der sie 1936 eine Einführung zu einem antiken Theaterstück sprach, wurde nicht archiviert. Alice Kober war es nicht mehr vergönnt, das Geheimnis um «ihre» Schrift vollständig zu lüften. Erst 43-jährig, ist die Kettenraucherin 1950 an Lungenkrebs gestorben. Die Entzifferung der Linearschrift B ist zwei Jahre nach ihrem Tod anderen gelungen.
Das Schweigen entziffern
Regie: Regina Dürig, Christian Müller
Sa, 19.9., 20.00 SRF 2 Kultur