Samia liebt das Meer. Aber sie darf nicht zum Strand, die Soldaten sind in der Nähe. Samia liebt das Laufen. Aber sie darf nicht trainieren, die Soldaten würden sie stoppen. Samia lebt in Somalia, wo die islamistische Al Shabaab Miliz das Sagen hat. Aber sie läuft trotzdem, denn sie träumt davon, an den Olympischen Spielen 2008 in Peking zu starten. Und trotz allen Widerständen und Rückschlägen macht sie ihn wahr, diesen Traum. Im Vorlauf über 200 Meter wird Samia Letzte. Doch das stachelt sie erst recht zu ihrem Vorhaben an: Teilnahme und Sieg an den Olympischen Spielen 2012 in London.
Für ihr Hörspiel «Sag nicht, dass du Angst hast» greift SRF-Regisseurin Karin Berri auf den Roman des Italieners Giuseppe Catozzella zurück, der die wahre Geschichte von Samia Yusuf Omar nacherzählt. Berri montiert das Buch, das zum Welterfolg wurde, als vielstimmig-lebendiges Sprechstück, das grösstenteils in Samias Jugend spielt. «Ich habe keine Angst vor dem Krieg», sagt diese ihrem Nachbarn Ali. Und mit ihrer Schwester Hodan ruft sie sich täglich gebetsgleich in Erinnerung: «In unserem Haus ist alles möglich.»
Die Flucht endet im Meer
Diesen mit jugendlichem Trotz gemeisterten Kriegsalltag unterlegt Hörspielmacherin Karin Berri mit fröhlichem Ethnojazz. Dann verschwindet Ali und mit ihm die Musik. Und auf dem Markt wird Samias Vater erschossen. Sie entflieht ihrer Schockstarre, indem sie läuft.
Die dramaturgische Klammer ihres Hörspiels verlegt Berri auf das Mittelmeer. Samia ist unterwegs nach London – nicht mit einer offiziellen Olympia-Delegation, sondern auf einem Flüchtlingsboot. Als dieses zu kentern droht, springt Samia ins Wasser. Sie liebt zwar das Meer – doch kann sie nicht schwimmen.
Giuseppe Catozzella hat für seinen Roman mit der Schwester von Samia Yusuf Omar gesprochen, der die Flucht nach Finnland gelang. Berris Hörspiel-Fassung macht diese dramatische Geschichte zum zunehmend beklemmenden Klangerlebnis von brennender Aktualität. Eine sehr gelungene Umsetzung, die betroffen macht.
Sag nicht, dass du Angst hast
Von Giuseppe Catozzella
Regie: Karin Berri
Mo, 15.10., 14.06 Radio SRF 1
Z: Fr, 26.10., 20.03 Radio SRF 1