Martin verkörpert den Appenzeller Bauern schlechthin. Er fährt einen Subaru und liebt seine Kühe. Er ist wortkarg, stur und isst keine Oliven. Und Martin war noch nie am Meer: «Ich gsehn jo de Bodesee.» Julia möchte dies ändern. Eines Morgens kreuzt sie bei ihm auf und verkündet, dass sie beide spontan ans Meer fahren werden.
Die Auftaktszene zum neuen Hörspiel von Rebecca C. Schnyder macht stutzig. Folgt da eine seichte Romanze nach Bauart «Städterin kehrt zurück aufs Land, um sich mit ihrer Jugendliebe zu amüsieren»? Denn Julia (Jeanne Devos) fährt einen Mini mit Zürcher Nummernschild. Und Martin (Philipp Langenegger) ist tatsächlich ihre Jugendliebe.
Eine komplizierte Vergangenheit
Doch damit hat es sich mit den Klischees. «Dune am Meer» erzählt eine lebensechte Geschichte mit Tiefgang. Die episodenhaften Dialoge mit der prägenden, aber dezenten Musik von Malte Preuss nehmen gefangen. Gerade wegen der Appenzeller Lakonie, jener träfen Kunst des Mitschwingenlassens. Martins Antwort auf Julias Aufforderung ist denn ein vieldeutiges «Grad ase».
SRF-1-Hörerinnen und -Hörer erinnern sich: Vor fünf Jahren schon tauchte Julia bei Martin auf und schwärmte von der gemeinsamen Jugend. Sie gab sich offen, versöhnlich, verführerisch – und liess ihn doch wieder sitzen. Wie damals, als sie hinaus in die weite Welt entfloh. Die beiden haben also eine komplizierte Vergangenheit. «Die Fortsetzung ergab sich von selbst», sagt Rebecca C. Schnyder. Kurz nach dem Erfolg von «Öber em Tal» 2013 habe sich die Geschichte in ihrem Kopf weiterentwickelt, erklärt die 32-jährige Autorin.
SRF 1 wiederholt «Öber em Tal» kurz vor der Ausstrahlung der Fortsetzung. Doch «Dune am Meer» funktioniert auch als eigenständiges Hörspiel. Immer wieder blenden Martin und Julia selbst zurück. «Du redsch vill me als früener», staunt sie. Tatsächlich fragt er einmal geradeheraus: «Vo wa bisch dämol am Devospringe?»
Unterwegs nach Italien – Martin ist in den Mini eingestiegen! – gibt Julia zu, seit ihrer Flucht aus dem Appenzellerland nirgends angekommen zu sein. «Es isch no nieneds richtiger – als bi dir.» Es knistert zwischen den beiden, doch erneut nimmt alles einen ernüchternden Ausgang.
Arbeit mit vertrauten Orten
Die Frage nach dem stimmigen Zuhause, dem «Dehä», wie Martin und Julia sagen, steht im Zentrum von «Dune am Meer». In ihrem eigenen Leben ist Autorin Rebecca C. Schnyder angekommen. «Ich bin ‹dehä› in St. Gallen, mit meiner Heimat, dem Appenzellerland, im Rücken.» Dennoch präge das eigene Erleben ihr Schreiben. «Ich arbeite gerne mit Orten, die ich kenne», verrät sie. Schnyder hat Theaterstücke verfasst, Lyrik und einen Roman.
Die Hörspiel-Fortsetzung habe auch mit den Produktions-Umständen zu tun. Sie konnte mit demselben Team wie damals zusammenarbeiten. «Reto Ott als Regisseur ist für mich ein Idealfall. Und beim Schreiben hörte ich die Stimmen von Philipp Langenegger und Jeanne Devos», sagt Schnyder. Und sie verrät noch etwas: «In drei Jahren wird Julia wieder auf Martin treffen. Ich kenne das Ende aber noch nicht.»
Dune am Meer
Von Rebecca C. Schnyder
Regie: Reto Ott
Fr, 11.5., 20.00 Radio SRF 1
(Z: Mo, 14.5., 14.06)
Öber em Tal
Von Rebecca C. Schnyder
Regie: Reto Ott
Mo, 7.5., 14.06 Radio SRF 1