Am 1. August steigt keine Feuerwerksrakete in den Himmel. Brandgefahr. Und die Fernsehgeräte geben den Geist auf. Die Rede ist nicht von den Temperaturen der letzten Monate, sondern von 1983. Damals gab es schon einmal einen glühend heissen Sommer. Durch diesen schleppt sich Heiner Glut im Hörspiel «Verfluchte Hitze».
Glut ist frischgebackener Basler Kriminalkommissar und Träger eines schweisselnden Hemdes. Einen ersten Auftritt hatte er im SRF-2-Hörspiel «Verfluchtes Licht» von 2017, für das der Autor Lukas Holliger an den ARD-Hörspieltagen den Publikumspreis gewann. Darin stolperte Glut als Privatdetektiv durch Basel – zunächst vermissten Katzen, später einem Mörder hinterher. Der Krimi spielte 1989, kurz vor dem Mauerfall. Glut ermittelte wegen illegaler Medikamententests. Autor Lukas Holliger hatte sich an wahren Begebenheiten orientiert.
Nun hat er einen weiteren Fall für Kommissar Glut geschrieben. Regie führt erneut Mark Ginzler. «Verfluchte Hitze» spielt sechs Jahre vor «Verfluchtes Licht». Glut hat eben seine Arbeit bei der Kripo Basel aufgenommen. Der russische Hellseher Danilo Gromow liegt tot in seinem Haus in Riehen. Im Körper stecken sieben Pistolenkugeln, es fehlen 125 000 Franken im Tresor. War es Raubmord? Was aber hatte Gromow mit der umstrittenen sowjetischen Nachrichtenagentur Nowosti zu tun?
Sterbende Ventilatoren, träge Fliegen
Holliger und Ginzler ist mit «Verfluchte Hitze» ein packender wie witziger Film Noir für die Ohren gelungen. Ein pulsierender Bass erzeugt immerwährend Dringlichkeit. Die Geräusche von sterbenden Ventilatoren und trägen Fliegen zeichnen eine Stadt, in der die Hitze unerträglich geworden ist. Basel erinnert an das verdorrte, grelle Los Angeles in Roman Polanskis Film «Chinatown». Holliger spielt bewusst mit dem Film-Noir-Genre. Sein Kommissar ist eine Parodie auf den Typus des knallharten Ermittlers: Zu Beginn entfacht der Polizist aus Versehen einen Waldbrand, weil er gedankenversunken brennende Zigaretten wegschnippt.
Wie schon beim ersten Fall arbeiten die Macher mit akustischen Zeitzeugnissen. Nachrichten, eine Reagan-Rede, Nenas Ohrwurm «99 Luftballons» – das verankert die Erzählung im geschichtlichen Kontext. Mehr noch: Die Schnipsel helfen, den Krimi voranzutreiben. Der Streit um die Stationierung von Nato-Atomraketen spitzt sich zu, Europas Friedensbewegung gewinnt an Fahrt, «Petting statt Pershing» rufen Demonstranten.
«Mich interessieren die Auswirkungen eines Zeitgeists auf die Mentalität», sagt der Autor. Und wahrlich, in «Verfluchte Hitze» ist der Kalte Krieg spürbar. Polizisten bellen Kommunistenfeindliches, Bundesräte verbreiten Paranoia, Bauarbeiter vergrössern Luftschutzkeller.
Das alles ist auch ein grosses Déjà-vu: Russische Spionage und Schweizer Verbandelungen mit Südafrika werden angedeutet – das erinnert an die aktuelle weltpolitische Lage und an die Diskussion um Schweizer Kriegsmaterialexporte. «Ich bin verblüfft, wie aktuell die 1980er-Jahre sind», sagt Holliger. «2018 ist wie ein abgedroschener Kommentar auf diese Zeit.» Nun, der Kalte Krieg ging irgendwann zu Ende. Die Hitzewelle von 1983 zum Glück auch.
Verfluchte Hitze
Von Lukas Holliger
Regie und Dramaturgie: Mark Ginzler
So, 26.8., 17.06
Radio SRF 2 Kultur