Hörspiel: Entdeckung der Langsamkeit
Der ungewöhnliche Roman «Das Geräusch einer Schnecke beim Essen» von Elisabeth Tova Bailey ist zum SRF-Hörspiel geworden.
Inhalt
Kulturtipp 18/2017
Urs Hangartner
Die Ich-Erzählerin befindet sich in einem kritischen Zustand: «Ich bin so krank wie noch nie in meinem Leben. Das Einzige, was ich tun kann: atmen.» Sie, die sich immer für unverwundbar gehalten hat, ist ans Bett gefesselt. Auf einer Europareise wurde die 34-jährige US-Amerikanerin von einem rätselhaften Virus heimgesucht, der für ihr langes Leiden verantwortlich ist. Eine Freundin bringt der Kranken eine Schnecke; der Beginn einer wundersamen Gemeinschaft...
Die Ich-Erzählerin befindet sich in einem kritischen Zustand: «Ich bin so krank wie noch nie in meinem Leben. Das Einzige, was ich tun kann: atmen.» Sie, die sich immer für unverwundbar gehalten hat, ist ans Bett gefesselt. Auf einer Europareise wurde die 34-jährige US-Amerikanerin von einem rätselhaften Virus heimgesucht, der für ihr langes Leiden verantwortlich ist. Eine Freundin bringt der Kranken eine Schnecke; der Beginn einer wundersamen Gemeinschaft.
Ein autobiografisches Kammerspiel
Elisabeth Tova Bailey beschreibt und analysiert ihren Zustand, beobachtet, was mit ihr, was mit der Schnecke passiert. Sie fasst all die Erkenntnisse zusammen, die sie aus Fachlektüren gewonnen hat. Es ist akribische Beschreibung und berührende Innenschau, ein autobiografisches Kammerspiel. Die Erzählerin lernt, dass «ihre» Schnecke 2640 Zähne hat und dass sich das nachtaktive Tier im Unterschied zum Menschen mit seinen fünf Sinnen nur auf deren drei stützt – «Sie lebt in einer Welt der Stille.» Sehen und hören kann sie nicht. Der Zeitbegriff wird ein anderer.
Notgedrungen entdeckt die Autorin die Langsamkeit. Es bleibt Hoffnung und verheisst Zukunft: Schliesslich schlüpfen 118 kleine Schnecken. Die Schriftstellerin wird genesen und das Buch verfassen. Elisabeth Tova Bailey hat es im Schneckentempo geschrieben: Vier Jahre arbeitete sie an ihrem aussergewöhnlichen Text über eine besondere Lebensgemeinschaft. Ein Fazit lautet: «Ohne sie (die Schnecke) hätte ich wohl nicht durchgehalten.» Das schleimige Wesen war ihr «eine echte Lehrmeisterin geworden».
Eindrückliche «Vertonung» durch Fatima Dunn
Das Hörspiel von Regisseurin Elisabeth Putz ist ein dichter Monolog, den die Schauspielerin Valery Tscheplanowa in unaufgeregt-ruhigem Ton bewältigt. Einen besonderen künstlerischen Anteil am Hörspiel hat die Zürcher Cellistin, Sängerin und Komponistin Fatima Dunn. Ihr musikalischer Beitrag sind Hall- und Echo-Töne, Atem- und Kratz-Geräusche, Soundscapes, mal gar ein Gute-Nacht-Lied auf Englisch. So «vertont» Fatima Dunn sowohl äusseres Geschehen wie innere Zustände.
Radio SRF 2 Kultur
Das Geräusch einer Schnecke beim Essen
Nach Elisabeth Tova Bailey
Hörspielfassung und Regie: Elisabeth Putz
So, 27.8., 17.06 Radio SRF 2 Kultur