Jacob Franck hat den Fall schon fast gelöst, als er auf einen Widerspruch trifft. «Die Toten sind tot und kommen nicht wieder», sagt ihm der entscheidende Zeuge. «Das stimmt nicht», erwidert Jacob Franck. Der pensionierte Kommissar weiss, wovon er spricht. Jede Nacht suchen ihn die Geister der Vergangenheit heim: Mordopfer, Angehörige und Zeugen einer langen Polizistenkarriere, die nicht zur Ruhe kommen.
Noch lebendig ist Ludwig Winther, der eines Abends mit der Bitte auftaucht, den Tod seiner Tochter neu zu untersuchen. Vor 21 Jahren soll sich die 17-jährige Esther erhängt haben, doch Winther hegt Zweifel. Franck willigt ein und ahnt nicht, worauf er sich einlässt. Bald merkt er, dass bei diesem Fall tatsächlich vieles totgeschwiegen wurde.
Friedrich Ani (61) hat den Krimi «Der namenlose Tag» 2015 veröffentlicht. Der Münchner Autor ist ein Vielschreiber, der nebst Drehbüchern und Bühnenstücken, Jugendromanen und Lyrikbänden zahlreiche Krimis mit verschiedenen Protagonisten veröffentlicht hat. Nach den Kommissaren Tabor Süden (21 Fälle), Polonius Fischer (3) und Jonas Vogel (3) ermittelt seit 2015 auch Jacob Franck, dessen erster Fall «Der namenlose Tag» 2016 mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde.
Ani siedelt seine Bücher in speziellen sozialen Szenerien an. Er blickt hinter die Kulissen der katholischen Kirche oder beleuchtet das Phänomen Fremdenfeindlichkeit. Franck gerät in komplexe Familiengefüge und sieht sich zu Erinnerungsarbeit auch an sich selbst gezwungen. Hörspiel-Regisseur Martin Heindel setzt auf die Kraft von Anis authentischer Sprache und gibt den vielen Haupt- und Nebenfiguren prägende Sprechstimmen. Zurückhaltend, aber klärend tritt eine nüchterne Erzählstimme auf. Die Aussen- und Innenwelten vor allem von Franck und weiteren Hauptfiguren koloriert Heindel mit einem vielgestaltigen Soundtrack aus Musikschwaden, Geräuscheffekten und Grossstadtambiente.
Diese formale Mixtur wird der inhaltlichen Komplexität der Buchvorlage gerecht. Die Umstände und Gründe für Esthers Tod vermag Jacob Franck erst mit seiner Fähigkeit der «Gedankenfühligkeit» zu klären. Sherlock Holmes lässt grüssen.
Der namenlose Tag von Friedrich Ani
Bearbeitung und Regie: Martin Heindel
1/2: Mi, 24.6., 20.05 BR 2
2/2: Mi, 1.7., 20.05 BR 2