«Andreas Egger galt zwar als Krüppel, aber er war stark.» Unehelich wurde er in der Stadt geboren Anfang des 20. Jahrhunderts, früh aufs alpine Land gebracht, verdingt beim Grossbauern Kranzstocker, der ihn züchtigte und für den lädierten Leib verantwortlich ist. «Irgendwo in dem kleinen Körper knackte es laut.» Sein Bein blieb krumm, «und fortan musste er sich hinkend durchs Leben bewegen».
Egger wird weiterleben, fast durch ein ganzes Jahrhundert. Er findet Arbeit, trotz Behinderung. Die erste Bergbahn im Tal wird gebaut. Er könne alles, er mache alles, sagt er bei der Bewerbung. Aber er hinke doch. Das, so Egger, gelte vielleicht im Tal. «Am Berg bin ich der Einzige, der gerade geht.» Er wird die Liebe finden, ein Glück, das nicht lange währt, weil eine Lawine ihm sein Heim und seine Marie nimmt. Er wird 1942 eingezogen, weil Krieg ist. Er geht an die Ostfront, bleibt acht Jahre in Russland. Dann kehrt er zurück ins Dorf, wird Bergführer für Touristen. Dann stirbt er.
Es ist, von aussen betrachtet, eine traurige Existenz, die dieser Andreas Egger führt. Doch er spürt keine Verbitterung, er nimmt sein Schicksal in stiller Gleichmut an. Er, der eben ein ganzes Leben verbringt und sich konfrontiert sieht mit Naturgewalt, menschlicher Gewalt, mit Liebe, Krieg und Tod.
«Ein ganzes Leben» (2014) ist der fünfte von bisher sechs Romanen von Robert Seethaler. Ein schmales Buch von gerade mal 160 Seiten Umfang. Daraus wurde, als Gemeinschaftsproduktion von ORF und SRF, ein 50-minütiges, vielstimmiges Hörspiel. Dabei sind die nötigen Kürzungen verschmerzbar. Es geht, wie im Roman, von Lebensstation zu Lebensstation, wortgetreu, wobei auch indirekte Rede in direkte Rede überführt werden kann. Die Hauptfigur Andreas Egger spricht ihren Text mit mundartlicher Färbung. Das Ganze ist gut gelungen – als stimmiges Hörspiel.
Ein ganzes Leben
Nach dem Roman von Robert Seethaler
Hörspielfassung und Regie: Elisabeth Weilenmann
Musik: Fatima Dunn
Fr, 31.5., 20.03 Radio SRF 1