Wer bellt, ist ethisch weiter als der Mensch. «Der Hund bringt nicht ohne weiteres andere Hunde um», konstatiert der deutsche Neuropsychologe Thomas Elbert von der Universität Konstanz gegenüber der «Zeit». Der Mensch kennt diese Tötungshemmung gemäss dem Forscher nicht, darum kommt es zu Krieg und Massakern. Eine krude These auf den ersten Blick, aber eine gewisse Plausibilität ist ihr nicht abzusprechen, denkt man an die zwei Weltkriege im letzten Jahrhundert. Elbert wird einen Tag lang im «Hörpunkt» von Radio SRF 2 Kultur über das Töten sprechen. Der Psychologe hat Feldforschungen in Afghanistan und Westafrika betrieben, wo er sich unter anderem intensiv mit Kindersoldaten befasste.
Grosse Spannweite
Die Spannweite der Sendung ist gemäss «Hörpunkt»-Redaktionsleiter Bernard Senn gross. So kommt ein Häftling der Zürcher Justizanstalt Pöschwies anonym zu Wort; er sitzt wegen eines Tötungsdelikts ein. Das Gespräch wurde im Gefängnis aufgezeichnet, und Elbert kommentiert die Aussagen des Verurteilten. Felicitas Lenzinger, Vorsitzende des Basler Strafgerichts, berichtet aus juristischer Sicht über ihre Erfahrungen. Sie muss sich zum Abschluss ihrer beruflichen Laufbahn nochmals mit einem Tötungsdelikt beschäftigen.
Bei manchen Menschen richtet sich die Gewalt gegen sich selbst. So erzählt eine Frau von ihren Suizidversuchen, und wie sie aus den Depressionen herausgefunden hat. Ein ähnliches Kapitel betrifft Exit: Marion Schafroth von der Sterbehilfeorganisation erklärt, weshalb Patienten sterben wollen und welche Bedingungen sie dazu erfüllen müssen.
Die meisten Menschen blenden den Akt des Tötens beim Fleischkonsum weitgehend aus. Der Direktor des Zürcher Schlachtbetriebs, Hans Rudolf Hofer, erzählt von der industriellen Fleischverarbeitung, die heute bei manchen Konsumenten in der Kritik steht. Ebenso wie die Schädlingsbekämpfung: Markus Stalder, Chef des Schädlingsbekämpfers Rentokil, berichtet aus dem Geschäfts- und Berufsalltag.
Zum Schluss des «Hörpunkts» erhält die Sendung eine biblische Dimension. Am Anfang war das Wort, aber eben auch ein bis heute ungeklärtes Tötungsdelikt: Der Totschlag von Kain an Abel; selbst die Theologie hat keine sichere Antwort darauf, was da genau geschehen sein soll.
Das Töten gehört also zumindest aus abendländischer Sicht zum Menschen. Aber Experte Elbert bietet einen Trost zu dieser düsteren Erkenntnis: Im Gegensatz zur Steinzeit gehört das Meucheln heute nicht mehr zum Alltag – ein bemerkenswerter kultureller Fortschritt.
«Hörpunkt» auf Radio SRF 2 Kultur
Mittwoch, 2.9.
09.00 Variationen einer unwiderruflichen Handlung Kindersoldaten, Exzesse, Killer-Games u.a.
10.00 Ich habe getötet Schuld & Sühne, soziale Bewertung
11.00 Töten, um zu leben Nahrungskette, Tierschutz, Ethik
12.00 Kakerlaken jagen Kampf mit und gegen die Natur
13.00 Den Tod wählen Gesetzeslage, Selbstverständnis
14.00 Richten Justiz, Todesstrafe
Ab 17.05 Wiederholung der Sendungen