Höfisches Epos im modernen Kleid
Der Schweizer Dichter und Denker Adolf Muschg ist kürzlich 80 geworden. Mit seinem Opus magnum «Der Rote Ritter» hat er 1993 der Parzival-Legen-de eine neue Leseart hinzugefügt.
Inhalt
Kulturtipp 11/2014
Babina Cathomen
Ein Jüngling zieht in die Welt hinaus, besteht zahlreiche Abenteuer und findet zu sich selbst: Mit seinem höfischen Epos «Parzival» nahm Wolfram von Eschenbach Anfang des 13. Jahrhunderts den Stoff zahlreicher Entwicklungsromane voraus.
Adolf Muschg, der sich seit Jahrzehnten mit dem Parzival-Stoff beschäftigte, hat 1993 seine eigene Version der Legende um den heiligen Gral geschaffen. Auf über 1000 Seiten malt er das mittelalterliche Leben ...
Ein Jüngling zieht in die Welt hinaus, besteht zahlreiche Abenteuer und findet zu sich selbst: Mit seinem höfischen Epos «Parzival» nahm Wolfram von Eschenbach Anfang des 13. Jahrhunderts den Stoff zahlreicher Entwicklungsromane voraus.
Adolf Muschg, der sich seit Jahrzehnten mit dem Parzival-Stoff beschäftigte, hat 1993 seine eigene Version der Legende um den heiligen Gral geschaffen. Auf über 1000 Seiten malt er das mittelalterliche Leben in den sattesten Farben aus – ausschweifend, reflektierend, detailliert, manchmal umständlich, aber sprachlich ausgefeilt.
Muschg hält sich in seiner «Geschichte von Parzival» zwar an die Grundkonstellation mit den bekannten Szenarien und rund 100 Figuren, inklusive eines hilfreichen Namensregisters im Anhang. Aber Muschgs Adaption ist mehr als eine Nacherzählung. Er setzt das Epos in Beziehung zur Gegenwart und leuchtet es aus der Perspektive der Moderne aus. Kommentierend, zuweilen parodistisch widmet er sich der
Legende. So lässt er etwa drei Eier als Erzählinstanzen auftreten. «Begeisterndes sprachliches Kunstwerk», schrieb die NZZ nach Erscheinen des Werks. «Je üppiger Muschg seine Figuren ausstattet, desto ärmer macht er sie oft», vermerkte hingegen «Die Zeit» in einer ansonsten positiven Kritik. Polarisiert hat der grosse Intellektuelle schon immer. Wer sich selbst ein Bild machen will, muss viel Zeit einplanen. Belohnt wird man mit lebendiger Geschichtsschreibung und einer nach 800 Jahren noch immer packenden Geschichte um Minne und Abenteuer.
Adolf Muschg
«Der Rote Ritter»
Erstausgabe: 1993
Heute erhältlich bei Suhrkamp.
Gespräch
Adolf Muschg und Michel Friedmann zum Thema «Die Schweiz. Das Herz Europas»
Mo, 19.5., 20.00
Konzert Theater Bern
Solothurner Literaturtage
Lesung und Diskussion mit Micheline Calmy-Rey
Moderation: Roger de Weck
So, 1.6., 15.00
Landhaussaal Solothurn