Alfred Hitchcock spaziert gemütlich über den Filmschauplatz. Es ist die Motelanlage, wo «Psycho» gedreht wurde. Bald zeigt er auf ein erhöht liegendes altes Haus, wozu sich der Regisseur von einem Gemälde von Edward Hopper inspirieren liess. Hitchcock geht ins Haus und führt durch die Zimmer. Anschliessend schreitet er zurück zum Motel, ins Badezimmer, wo Schreckliches geschehen ist. Hitchcock machts spannend in seiner verschmitzt-diabolischen Art: «Sie hätten das Blut sehen sollen.» Und: «Es ist zu schrecklich, um es zu beschreiben.»
Der Trailer zum Thriller «Psycho» (1960) ist ein eigens gedrehter Kurzfilm, um den Streifen des Meisters der Spannung zu bewerben. Ein Ausnahmefall, wenn der Regisseur persönlich da auftritt, wo der Film entstanden ist. Und er lässt sich Zeit: Der Trailer dauert rekordverdächtige 6 Minuten 30 Sekunden.
Übertroffen wurde Hitchcock vier Jahre zuvor von Cecil B. DeMille. Der Regisseur des monumentalen Moses-Films «The Ten Commandments» («Die zehn Gebote», 1956) erläutert in seinem Büro wie in einer History-Dok die «historischen» Hintergründe zum Bibel-Film. Der Making-of-Trailer lässt DeMille auftreten und wirbt mit Ausschnitten aus dem Film für das Werk. Dauer: stolze 9 Minuten und 35 Sekunden.
Auch im Trailer zu «Casablanca» (1942) erläutert die Sprecherstimme kurz den historischen Kontext von Flucht im Zweiten Weltkrieg am marokkanischen Emigranten-Ort, stellt einige zentrale Figuren und ihre Darsteller vor. Bedeutungsvoll ist über einer Kussszene der Text zu lesen: «Where every kiss may be the last!» Am Ende folgen die gestaffelten Texteinblendungen «Wenn Sie das Abenteuer suchen … werden Sie es finden … in ‹Casablanca›.» Der Trailer dauert etwas über 2 Minuten.
Der Schnitt im Trailer wird immer schneller
Hitchcock und DeMille sind zwei Ausnahmebeispiele in der Geschichte des Kinotrailers. Grundsätzlich sind es kurze Filme, die für einen langen Film werben sollen. Der Zürcher Film- wissenschafter Vinzenz Hediger hat in seiner Dissertation «Verführung zum Film» (2001) speziell den US-Kinotrailer seit den Anfängen um 1912 untersucht. In seinem Buch ist zu erfahren, dass der Trailer bis zu den 1960ern doppelt so schnell geschnitten wurde wie der ganze Film, seit den 1970ern dann sogar dreimal so schnell. Die Länge von Trailern hingegen ist konstant geblieben: zwischen 90 und 120 Sekunden. Was sich geändert hat, ist die Einstellungslänge, also die «Schnelligkeit» dieser Werbefilme.
Trailer wollen und müssen anpreisen. So geizen klassische Kinotrailer nicht mit Superlativen wie: «Das neuste Meisterwerk» – «Einer der grössten Filme aller Zeiten» – «Sie werden nie eine aufregendere schauspielerische Leistung sehen als diese». Bei fantastischen Filmen «warnen» Texte vor Schauerlichem.
Ein Beispiel für Superlative ist auch «Der Dieb von Bagdad» (1940). Hier kommentiert eine Sprecherstimme im pathetisch-weihevollen Ton zu Filmausschnitten: «Dies ist der grossartigste und aufwendigste Film der 1000 Wunder aus 1001 Nacht. (…) Der Film der 1000 Wunder ist auch der Film der 1000 Gefahren.» Und: «Ein Meisterwerk der Filmkunst.»
Umsatzsteigernde Anpreisung
Die Wirkung von Trailern sollte man nicht unterschätzen. Sie sorgen für einen Viertel bis einen Drittel des Umsatzes an der Kinokasse. In den 1940er-Jahren machten sie aber nur ein bis viereinhalb Prozent der jeweiligen Werbebudgets aus. Vinzenz Hediger schreibt: «Kein Werbemittel erreicht mehr potenzielle Zuschauer zu einem günstigeren Preis.» In den 1940ern betrugen die Kosten für Reklame in den USA zwei bis sieben Prozent des gesamten Filmproduktionsbudgets. Die Zahlen haben sich seit den 1960ern massiv vervielfacht. Hediger beziffert den Reklameanteil (für Trailer, Inserate, Plakate und mehr) an den Gesamtkosten auf bis zu 50 Prozent und mehr.
Während Länge und Grundstruktur von Trailern stabil bleiben, haben die stilistischen Mittel geändert. Die gebräuchlichen Texteinblendungen verschwinden zusehends, dafür nimmt der Einsatz von Sprecherstimmen zu. In den ersten Jahrzehnten der Filmwerbung verrät der Trailer in Form eines sogenannten Rätselplots praktisch nichts vom eigentlich Story-Verlauf. Ab 1960 wird in verdichteter Form die Story des Films zusammengefasst, das eigentliche Ende aber nicht verraten und so Spannung geschaffen. Als Gestaltungsmittel von klassischen Trailern dienen Filmausschnitte, kleine Sequenzen oder kürzeste Schnipsel, Standbilder, Musik, Namen von Regisseur und Stars und natürlich der Filmtitel.
Werben in Endlosschleife als neuer Trend
Bei allen Veränderungen über die Jahrzehnte – die Funktion des Trailers bleibt stets bestehen: die Verführung zum Film. Wobei es auch das Gegenteil gibt: Schlechte Trailer schüren falsche Erwartungen, verzerren durch reisserische Darstellung das Bild des Films, verwirren mehr, als dass sie informieren. Oder Trailer wirken kontraproduktiv durch ihre Dauerpräsenz – ein Phänomen, das in jüngster Zeit im Fernsehen zu beobachten ist. Trailer werben für Filme oder Serien in Endlosschleife. Da wird nicht zum Schauen verführt, sondern zum genervten Abschalten.