Die getigerte Katze Mila ist beleidigt. Sie verzieht sich auf den Katzenbaum, Mila mag keine Störung. Ihre Besitzerin Ada Pesch, ganz munter dagegen, erzählt dem Besucher im schicken Zürcher Loft aus ihrem Berufsleben. Sie berichtet, wie sie durch Zufall von Ohio in die Schweiz gekommen und Konzertmeisterin im Zürcher Opernhaus und Mitglied im Ensemble «La Scintilla» geworden ist. Zudem leitet Pesch die Barockkonzerte in Ernen VS. Daneben ist ihr Leben Tennis; sie spielt wettkampfmässig. Und Roger Federer hat bei ihr etwa den Status von Georg Friedrich Händel. Einfach ohne Noten, dafür mit Tennisschläger.
Diesen Sommer wieder Ernen, wie seit Jahrzehnten – das sind rund 500 Oberwalliser, die sich rund 36 Quadratkilometer Gemeindefläche und eine schmucke Dorfkirche teilen. In Ernen bei Fiesch finden jeden Sommer Musikwochen statt mit Kammerkonzerten, Klavierrezitalen und Barockmusik. Dazu gibt es Lesungen und Künstlergespräche. Das alles vor einer Bergkulisse, die Pesch jedes Jahr von Neuem «spektakulär» findet.
Sie ist eine zierliche Person. In Wimbledon-T-Shirt und Jeans fläzt sie sich mit angezogenen Beinen auf ihr weiches Sofa, sodass der Eindruck entsteht, dass sie hier die Stunden der Musse am liebsten verbringt. Besonders mit der Katze, wenn die nicht gerade beleidigt ist.
Die Liebe zum Barock
Pesch kam als Studentin vor 30 Jahren nach Ernen an einen Meisterkurs von György Sebök. Seither kehrt sie Jahr für Jahr zurück, seit 2000 auch als Mitorganisatorin. So blieb die Musikerin in Europa hängen, arbeitete erst einige Jahre hauptberuflich als Erste Konzertmeisterin im oberfränkischen Hof und wurde dann ins Orchester des Zürcher Opernhauses aufgenommen.
Der Wechsel von den USA nach Europa ist Pesch leicht gefallen. «Hier hat meine Musik mehr Zuspruch. Der Markt ist grösser», sagt sie. Die Geigerin kommt übrigens nicht aus einer speziell musikalischen Familie. Der Vater war Astrophysiker. Die Mutter spielte nebenher Klavier, aber damit hatte es sich bezüglich künstlerischem Impuls aus ihrem Elternhaus in Cleveland.
Neben der Oper muss es Barock sein. «Diese Musik ist für mich spontaner als andere», sagt Pesch, «man kann schneller mitfühlen als bei anderer Musik.» Deshalb hat sie mit Gesinnungsfreunden 1996 das Ensemble «La Scinitilla» gegründet, das diesen Sommer in den Salzburger Festspielen auftritt.
In Ernen freut sich Ada Pesch besonders auf das erste Stück der drei Konzerte in der kleinen Kirche, die Suite imaginaire d-Moll von Johann Sebastian Bach. «Ich bin gespannt, wie das funktioniert.» Sonst will sie keine Vorlieben bekannt geben. «Ich lasse mich jedes Jahr von Neuem überraschen.»
Ada Pesch hat die Oberwalliser Musiksommer nicht nur musikalisch mitgeprägt. Sie brachte auch US-Schriftstellerin Donna Leon nach Ernen, die dort Schreibkurse erteilt. «Wir haben als amerikanische Auswanderer im europäischen Exil vieles gemeinsam.»
Wobei im Fall von Ada Pesch dieses Exil eine Art familiäre Rückkehr ist. Ihr Gossvater führte nämlich bis 1939 eine Lederhandlung an der Kuttelgasse in Zürich. Angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung floh die Familie 1939 in die USA und kehrte nicht mehr zurück. «Es ist purer Zufall, dass ich am gleichen Ort gelandet bin.»
Barockmusikwochen Ernen
So, 21.7.–Fr, 2.8.
Alle Konzerte unter www.musikdorf.ch