Henning Mankell: Im Schatten des Kolonialismus
Henning Mankells gesellschaftskritisches, aber noch nicht ausgereiftes Frühwerk «Der Sandmaler» zeugt von seiner Faszination für Afrika. Der Roman ist erstmals auf Deutsch erschienen.
Inhalt
Kulturtipp 25/2017
Letzte Aktualisierung:
06.12.2017
Babina Cathomen
Der 2015 verstorbene schwedische Bestseller-Autor Henning Mankell war ein Menschenfreund, das wird schon in seinen ersten Werken spürbar. Im Roman «Der Sandmaler» von 1974 erzählt er von zwei schwedischen Maturanden, die in ein unbenanntes afrikanisches Land reisen. Auf der einen Seite steht die feinfühlige Elisabeth, die Land und Leute näher kennenlernen will. Sie ist für die Schönheit und die schillernde Kultur genauso empfänglich wie für ...
Der 2015 verstorbene schwedische Bestseller-Autor Henning Mankell war ein Menschenfreund, das wird schon in seinen ersten Werken spürbar. Im Roman «Der Sandmaler» von 1974 erzählt er von zwei schwedischen Maturanden, die in ein unbenanntes afrikanisches Land reisen. Auf der einen Seite steht die feinfühlige Elisabeth, die Land und Leute näher kennenlernen will. Sie ist für die Schönheit und die schillernde Kultur genauso empfänglich wie für das Elend in den Slums. Auf der anderen Seite steht Stefan, der aus reichem Haus stammt und mit der Arroganz des weissen Eroberers auf die Einheimischen blickt: Er will hier das Strand- und Partyleben geniessen, junge Afrikanerinnen abschleppen.
Den Blick schärfen für Ungerechtigkeit
Mankell, damals Anfang 20, mutet den Lesern in seinem ersten Afrika-Roman ein arges Schwarz-Weiss-Denken zu. Er stand unter dem Eindruck seines zweijährigen Aufenthalts in Sambia – und war geschockt von den Auswirkungen der kolonialen Unterdrückung der Europäer. Über diese historischen Hintergründe referiert im Roman der ältere Lehrer Sven, den Elisabeth auf ihrer Reise kennenlernt und der ihren Blick für Armut und Ungerechtigkeit schärft. Währenddessen scheint dem dumpfen Stefan jegliche Empathie zu fehlen. Mankell zeigt diese grundverschiedenen Sichtweisen seiner Protagonisten, indem er abwechselnd aus Elisabeths und Stefans Sicht erzählt.
Trotz der wechselnden Perspektive bleibt die Handlung flach und moralisierend, die Figuren eindimensional. Dazwischen gibt es berührende Momente, vor allem in atmosphärischen Szenen: Etwa am Fischereihafen, wo Elisabeth und Sven dem Treiben zuschauen. Die lebhafte Stimmung schlägt um, als die Fischerboote ankommen – sie sind alle leer, die Menschen verstummen. Überfischung durch ausländische Fangflotten war schon vor 43 Jahren ein Thema. «So sieht die Wirklichkeit aus – die Wirklichkeit jenseits der Reisebroschüren», muss Elisabeth erkennen.
Mit «Der Sandmaler» erhalten die Leser einen Einblick in das noch unausgereifte Frühwerk des Autors. Später hingegen überzeugte Mankell auf ganzer Linie mit seinen dunklen, immer auch gesellschaftskritischen Wallander-Krimis. Wem die Thriller zu brutal sind, dem sei sein Spätwerk empfohlen, etwa der berührende und psychologisch fein ausgelotete Roman «Die schwedischen Gummistiefel». Auch seine späteren Afrika-Romane wie «Der Chronist der Winde» oder «Die rote Antilope» sind um einiges vielschichtiger und sprachlich ausgefeilter als sein Frühwerk. Das Engagement für Afrika hat Mankell nach seiner ersten Reise 1971 ein Leben lang beibehalten: Mosambik wurde zu seiner zweiten Heimat, er leitete in Maputo ein professionelles Theater und war an zahlreichen Projekten von Hilfsorganisationen beteiligt.
Buch
Henning Mankell
Der Sandmaler
Schwedische Erstveröffentlichung: 1974
Erstmals auf Deutsch erhältlich im Zsolnay Verlag.